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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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des Textes eingefügt werden konnte. Auf die Fortsetzung des Zitats verzichtete Nicholas, denn es folgten unverständliche fragmentarische Angaben zu einem Haus (das der Sohn von Cornelius offenbar erben sollte), vermischt mit der namentlichen Erwähnung bestimmter Vorfahren der von Dorns. Wenn die Angaben zum Vermögen des ausländischen Söldners vollständig vorhanden gewesen wären, so wäre das natürlich von einem gewissen historischen Interesse gewesen, aber weitaus wichtiger war, dass die Unterschrift und das Datum nicht fehlten; sie standen links unten und hatten sich deshalb tadellos erhalten:
    Geschrieben in Infernograd Anno 190 im May am 3. Tag vnterzeychnet von Kornej Fondorn
    Daraus folgte, dass Cornelius sich im Mai 1682 (nach altrussischer Zeitrechnung das Jahr 7190) in der Wolgastadt Infernograd aufgehalten haben musste, wo der in Ungnade gefallene Bojar Artamon Sergejewitsch Matfejew auf die Erlaubnis wartete, nach Moskau zurückkehren zu dürfen. Diese Tatsache war ein weiteres Indiz für das in der Familie kursierende Gerücht, Hauptmann von Dorn sei ein Vertrauter des Ersten Ministers des Zaren Alexej Michailowitsch gewesen und habe sogar die Tochter des Ersteren geheiratet. Die letzte Behauptung gehörte natürlich ins Reich der Märchen und stützte sich wohl darauf, dass Cornelius’ Sohn Nikita Fondorin lange Privatsekretär bei dem Grafen Andrej Artamonowitsch Matfejew gewesen war, einem Gesandten Peters des Großen an verschiedenen europäischen Höfen.
    Nicholas’ Artikel schloss mit der Vermutung, dass das Schriftstück offenbar bei dem berühmten Moskauer Strelitzen-Aufstand im Mai entzweigeschnitten worden war, als die Rebellen den Bojaren Matfejew und einige seiner Vertrauten, darunter wahrscheinlich auch Cornelius von Dorn, mit Lanzen durchbohrten, weshalb es über Letzteren nach 1682 auch keine Nachrichten mehr gibt.
    Und vor drei Wochen, als Nicholas aus Venedig zurückgekehrt war, wo er die Spur einer hochinteressanten Geschichte aus dem Jahre 1892 entdeckt hatte, die mit dem unermüdlichen Erast Petrowitsch zu tun hatte, wartete ein Päckchen aus Moskau auf ihn.
    Auf dem groben braunen Packpapier sah man den Stempel des Moskauer Hauptpostamts. Weder der Name des Absenders noch eine Adresse war angegeben. Das Päckchen enthielt ein drei Jahre altes Exemplar der Zeitschrift »Russischer Archivbote«. Ein eingeklebter roter Zettel auf Seite 178 wies auf die Rubrik »Neues aus den Archiven«. Eine ganz gewöhnliche Information, versteckt zwischen Meldungen über wissenschaftliche Seminare, verteidigte Dissertationen und kleine Funde in Archivbeständen in der Provinz. Ohne Verfassername, ja sogar ohne Überschrift, nur durch ein Sternchen abgehoben.
    *
    »Beim Ausheben der Baugrube für das Gebäude der Kreisverwaltung in der Stadt Infernograd (Gebiet von Kostroma) ist ein
    Steinfundament entdeckt worden, das offensichtlich zum Ensemble des Stammgutes der Grafen Matfejew gehörte und 1744 abbrannte. Die Mitglieder der lokalen archäologischen Kommission untersuchten den Unterbau, klopften die Wände ab und stießen auf ein Versteck, eine kleine Nische, die mit zwei weißen Ziegelsteinen verschlossen war. Im Inneren entdeckte man eine Ledertruhe mit Gegenständen, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem 17. Jahrhundert stammen: ein einzigartiger Bronzewecker aus einer Hamburger Werkstatt und ein goldenes Medaillon mit den lateinischen Initialen »C.v.D.« sowie die rechte Hälfte einer voll gekritzelten Schriftrolle. Der Wecker und das Medaillon wurden dem städtischen Heimatkundemuseum übergeben, das Schriftstück wurde zur Aufbewahrung an das Zentralarchiv für alte Dokumente (ZaD) geschickt.«
    Nicholas überflog zunächst die Meldung, las sie dann sehr aufmerksam noch einmal durch, und sein Herz zog sich zusammen, ob des unaussprechlichen, trunken machenden Gefühls, das Fandorin jedes Mal überkam, wenn in der dichten Finsternis der unwiderruflich vergangenen Zeit plötzlich dünne phosphoreszierende Fäden aufzuscheinen begannen. Dieser magische Augenblick, den der gelehrte Magister nur ein paar Mal in seinem Leben erfahren hatte, war der eigentliche Grund, warum er die Beschäftigung mit der Geschichte gewählt hatte. In der pechschwarzen Nacht, in dem Land, aus dem es keine Rückkehr gibt, ging auf einmal ein Licht an, das schwache, verlockende Strahlen aussandte. Du brauchst nur einen Schritt zu tun und diese immateriellen Fäden in die Hand zu nehmen, dann bekommst du

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