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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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kommen.«
    »Richtig, es wird Zeit für mich, aufzubrechen und mich nach einer Unterkunft für die Nacht umzusehen«, stimmte die junge Frau zu. »Könnt ihr mir eine saubere und nicht allzu teure Herberge hier in der Nähe empfehlen?«
    »Das ist nicht nötig, denn wir möchten dich einladen, in unserem Haus zu bleiben, solange du willst«, kam es von Calpurnia. »Wir haben Platz genug, warum also solltest du irgendwo anders wohnen und unnötig Mietzins bezahlen?«
    Weil Branwyn zögerte, legte die Presbyterin ihr die Hand auf den Arm und gab zu bedenken: »Vor allem aber kannst du die Aufgabe, die du dir gestellt hast und die wir ebenso als die unsere ansehen, von hier aus am besten erfüllen.«
    »Du hast recht«, nickte die junge Frau. »Deshalb bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als euer selbstloses Angebot anzunehmen. Ich danke euch für die Gastfreundschaft und werde mich bemühen, euch so wenig wie möglich zur Last zu fallen.«
    »Unsinn! Du machst uns keine Umstände, sondern eine Riesenfreude!« jubelte Angela. »So, und jetzt komm, damit ich dir das Zimmer zeigen kann, das wir immer für lieben Besuch bereithalten. Es liegt gleich neben meinem und wird dir bestimmt gefallen …«
    Wie Branwyn wenig später feststellte, hatte die Fünfzehnjährige nicht zuviel versprochen. Der Raum war mit seinen hellen Holzmöbeln sowie den phantasievoll gewebten und in warmen Naturfarben gehaltenen Wandteppichen so behaglich eingerichtet, daß sie sich darin sofort heimisch fühlte; hinzu kam der Blick in den Atriumshof, über dem mittlerweile der rötliche Schein des Sonnenunterganges lag.
    Nachdem Angela heißes Wasser gebracht und es in eine kupferne Waschschüssel gefüllt hatte, ließ sie ihre neue Freundin für eine Weile allein. Branwyn erfrischte sich, kehrte danach in den Innenhof zurück und verbrachte den Rest des Abends in angeregtem Gespräch mit der Presbyterin und ihrer Familie. Erst als der Mond am Firmament aufstieg, wünschte sie den anderen eine gute Nacht und begab sich in ihr Zimmer; kaum hatte sie sich unter die Zudecke ihres breiten, bequemen Betts gekuschelt, war sie auch schon eingeschlafen.
    ***
    Bis Mitternacht schlummerte sie ungestört, dann jedoch wurden ihre Träume unruhig. Schließlich weckten sie Geräusche, die – in regelmäßiger Folge an- und abschwellend – in den Raum drangen. Verwirrt setzte sie sich auf, horchte in die Dunkelheit hinaus und stellte fest, daß der Lärm offenbar von der Straßenseite des Hauses kam. Weil sie sich seine Ursache nicht erklären konnte, glitt sie aus dem Bett, lief auf nackten Sohlen zur vorderen Eingangstür des Gebäudes und spähte durch einen Fensterschlitz neben dem Portal auf den Kirchplatz.
    Zunächst ließ sich draußen nichts erkennen; nur das seltsame Rollen und Rumpeln, das sie aufgestört hatte, war weiterhin zu vernehmen. Es schien von allen Seiten zu kommen, doch Branwyn vermochte nicht, seine Ursache auszumachen – bis dort, wo die von der Torbastion heranführende Straße auf den Platz mündete, plötzlich Fackelschein sichtbar wurde und der Lärm von neuem anschwoll. Gleich darauf sah die junge Frau einen schwer beladenen Frachtwagen, der von zwei kräftigen Ochsen gezogen wurde; neben den Tieren ging ein Mann mit einem Feuerbrand und wies dem Kutscher auf dem Bock den Weg durch die Finsternis.
    Als das über das Kopfsteinpflaster polternde Gefährt sich direkt vor dem Haus befand, begannen die Bodenfliesen unter Branwyns Füßen leise zu vibrieren. Es war ein unheimliches Gefühl; dennoch blieb die junge Frau an ihrem Auslug stehen und beobachtete, wie das Ochsenfuhrwerk den Kirchplatz überquerte und in einer Gasse verschwand, die in Richtung des Tiber führte. Bald danach tauchte ein weiterer von einem Fackelträger begleiteter Lastkarren auf, diesmal waren Maultieren vorgespannt. Ihnen folgten in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen andere Fahrzeuge; allmählich hatte Branwyn den Eindruck, als würde Rom von einer gespenstischen Invasion heimgesucht.
    Ihr Verstand sagte ihr jedoch, daß das alles seinen Sinn haben müsse. Sie dachte angestrengt darüber nach; eben als sie glaubte, die Lösung des Rätsels gefunden zu haben, zuckte sie zusammen. Urplötzlich hatte sie das Empfinden, nicht mehr allein in dem stockdunklen Zimmer hinter der Haustür zu sein, und hielt erschrocken den Atem an.
    Mit dem nächsten Herzschlag hörte sie in ihrem Rücken ein Flüstern: »Täusche ich mich, oder ist hier drinnen

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