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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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grauem Haar und warmherzigen braunen Augen, bei der es sich zweifellos um Calpurnia handelte – bereits zur Vesper versammelt. Als Branwyn und das Mädchen herankamen, drohte die noch rüstig wirkende Presbyterin ihrer Enkelin scherzhaft mit dem Finger und seufzte in gespielter Verzweiflung: »Einmal nur möchte ich es erleben, daß du pünktlich zum Abendessen auftauchst, Angela!«
    »Ich weiß ja, es ist ein bißchen spät geworden«, entgegnete die Fünfzehnjährige. »Aber ich hatte diesen Nachmittag eben wieder mal jede Menge zu tun, dann betete ich noch in Sancta Maria, und dort traf ich auf diese Fremde, die aus Britannien kommt und sich nach dir erkundigte.«
    »Du suchst mich?« wandte Calpurnia sich nunmehr an Branwyn. »Und du bist tatsächlich eine …?« Sie besann sich. »Doch wie auch immer, sei herzlich willkommen! Bitte nimm Platz und teile das Mahl mit uns. Angela kennst du ja schon, und das sind ihre Eltern: meine Tochter Camilla und ihr Gatte Gaius, der hier in Trans Tiberim ein kleines Bauunternehmen betreibt.«
    Ehe Branwyn sich setzte, stellte auch sie sich vor; danach ließ sie sich das Essen schmecken. Es gab frisch gebackenes Fladenbrot, Käse, kaltes Rauchfleisch, eingemachte Früchte und dazu einen leichten Rotwein, der nach römischen Brauch mit Wasser verdünnt wurde. Während Branwyn aß und trank, berichtete sie in groben Zügen von den Geschehnissen, die sie dazu bewogen hatten, die lange und gefährliche Reise in die Tiberstadt auf sich zu nehmen, und schloß: »Eigentlich hatte ich gehofft, der Presbyter von Samarobriva, der in seinem Brief an das Priesterehepaar von Avalon die Bedrohung der jesuanischen Lehre durch das Patriarchat von Rom anprangerte, würde mir eine Empfehlung an diejenige der hiesigen christlichen Gemeinden mitgeben, mit der er in Verbindung stand. Doch dazu war er, wie ihr gehört habt, leider nicht mehr imstande. Deswegen suchte ich auf Anraten meiner Freundin Samira euch auf und kann euch jetzt nur bitten, mir zu vertrauen, obwohl ich nicht getauft, sondern Anhängerin Ceridwens und der anderen keltischen Götter bin.«
    »Vielleicht sorgten deine Göttin und Christus gemeinsam dafür, daß du den Weg zu diesem Haus fandest«, antwortete Calpurnia mit feinem Lächeln. »Denn ich bin es, die mit dem Presbyter von Samarobriva, von dessen tragischem Tod wir schon vergangenen Sommer erfuhren, in Briefwechsel stand. Und da ich die Sorgen des Verstorbenen hinsichtlich der Entwicklungen hier in Rom teile, bin ich sehr froh über deine Ankunft.«
    »Dasselbe gilt für meine Gemahlin und mich!« pflichtete Gaius seiner Schwiegermutter bei. »Wir freuen uns, in dir eine Mitstreiterin zu finden, der ähnlich wie uns an der unverfälschten Botschaft Jesu und am friedlichen Miteinander der verschiedenen Religionen liegt«, bekräftigte Camilla.
    »Und vielleicht entschließt du dich ja irgendwann sogar dazu, dich taufen zu lassen«, fiel Angela überschwenglich ein. »Heute hast du ja bereits die Legende von Sancta Maria kennengelernt, und ich wäre gerne bereit, dich zu weiteren heiligen Plätzen unseres Glaubens zu führen und dir von den Mirakeln zu erzählen, die sich dort …«
    Weil sie den tadelnden Blick ihrer Großmutter bemerkte, brach die Halbwüchsige ab und murmelte mit entwaffnendem Augenaufschlag: »O je, jetzt habe ich wahrscheinlich wieder mal was total Falsches gesagt.«
    »Immerhin hast du's sofort gemerkt«, schmunzelte Calpurnia. »Aber es ist eben so, und da beißt die Maus keinen Faden ab: Die Nachfolge Jesu, die wir anstreben, hat weder etwas mit Wunderglauben noch mit blindem Missionierungseifer zu tun. Es zählen einzig Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Verständnis für die Wesensart unserer Mitmenschen, egal ob Christen oder Heiden – und deshalb sollten wir nicht versuchen, unseren Gast auf irgendeine Weise zu beeinflussen.«
    »Das hatte ich auch gar nicht vor«, wandte die Fünfzehnjährige sich an Branwyn. »Ich wollte dir eigentlich nur zu verstehen geben, daß ich dich nett finde …«
    »Dann laß uns so schnell wie möglich Freundinnen werden«, erwiderte Branwyn in herzlichem Tonfall. »Und selbstverständlich würde ich mich sehr freuen, wenn du mir noch mehr von den Sehenswürdigkeiten Roms zeigen könntest.«
    »Versprochen!« strahlte Angela. »Wir ziehen gleich morgen früh los, wenn du willst …«
    »Langsam!« bremste Camilla den Eifer ihrer Tochter. »Zunächst einmal muß Branwyn nach der anstrengenden Reise zur Ruhe

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