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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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keineswegs leicht werden würde. In Gallien dann bekam ich es in Gestalt des Paulinus Lupus mit einem Christen zu tun, der den Glauben einzig dazu benutzte, um schmutzige Geschäfte mit vermeintlichen Reliquien zu tätigen, und der mich schwerverletzt in der Wildnis zurückließ, statt Barmherzigkeit an mir zu üben. Hier in Rom nun ist es nach deinen Aussagen noch schlimmer. Papst Liberius, den offenbar selbst die Verbannung nicht zu läutern vermochte, und seine Theologen säen Haß, obwohl sie dazu verpflichtet wären, Nächstenliebe zu lehren – und da ich weiß, welche Macht das Patriarchat besitzt, frage ich mich, ob wir, die wir doch nur schwache Frauen sind, überhaupt eine Möglichkeit haben, etwas gegen diese Fehlentwicklung zu unternehmen?«
    »Wir Frauen sind nicht schwach! Wir können vielmehr sehr viel Stärke aufbringen, sofern wir nur wollen!« äußerte Calpurnia in entschiedenem Tonfall. Sie besann sich kurz, ehe sie gedämpfter fortfuhr: »Aber die Zweifel, die dich quälen, sind mir wahrlich nicht fremd, und ich habe deine Ängste vermutlich noch vertieft, weil ich meine eigene Besorgnis erwähnte. Doch ich mußte ehrlich zu dir sein, denn würden wir uns der Realität nicht stellen, so hätten wir in der Tat keine Chance. Nur wenn wir die Dinge so sehen, wie sie sind, vermögen wir gegen sie anzukämpfen – auch wenn wir uns vielleicht zunächst davor fürchten.«
    »Ich habe nicht vor, den Kopf in den Sand zu stecken oder meiner Furcht nachzugeben«, beteuerte Branwyn.
    »Wäre es anders, hättest du es niemals gewagt, ganz allein von Britannien nach Rom zu reisen«, nickte die Presbyterin. »Ebenso beweist du Mut, indem du offen über deine Befürchtungen sprichst – und weil du dich mir anvertraut hast, würde ich dir jetzt gerne ein wenig von mir erzählen. Ich glaube nämlich, es könnte dir helfen …«
    Wie zuvor schon im Vorraum des Hauses schneuzte Calpurnia den Docht der Öllampe, dann fragte sie: »Wie alt bist du?«
    »Gerade erst fünfundzwanzig«, lautete die Antwort.
    »Und ich war vierundzwanzig, als ich für das Priesteramt hier in der Gemeinde Sancta Maria kandidierte«, sagte Calpurnia versonnen. »Erst vier Jahre zuvor – anno dreihundertdreizehn der christlichen Zeitrechnung – war unser Glaube als offizielle Religion des römischen Staates anerkannt worden, und du kannst dir vorstellen, welche Freude darüber unter den Getauften herrschte. Auch ich war voller Euphorie – doch kaum wurde bekannt, daß eine junge Frau angetreten war, um die Seelsorgearbeit des verstorbenen Gemeindepriesters weiterzuführen, regte sich Widerstand, wie ich ihn niemals für möglich gehalten hätte.
    Manche behaupteten, ich sei nicht reif genug für das Amt; andere unterstellten mir, völlig zu Unrecht, lockeren Lebenswandel, bloß weil ich damals noch unverheiratet war. Die schlimmsten Vorwürfe aber – und sie kamen insbesondere von älteren Würdenträgern des Patriarchats und deren blindgläubigen Anhängern – liefen schlicht auf Frauenfeindlichkeit hinaus. Weil Jesus, so hieß es, beim Letzten Abendmahl ausschließlich Männer um sich gehabt habe, sollten Frauen grundsätzlich nicht das Meßopfer feiern dürfen. Diese Hetzer verschwiegen allerdings, daß es in der Kirche stets Presbyterinnen gegeben und Paulus sie sogar als diejenigen gewürdigt hatte, denen die Verbreitung des christlichen Glaubens am meisten zu danken sei.«
    »Außerdem weiß ich von dem Priesterehepaar in Avalon, daß bei jenem Ritual in Jerusalem, von dem du soeben sprachst, sehr wohl die Frauen der Jünger sowie Mirjam von Magdala, die vertraute Gefährtin des Galiläers, anwesend waren«, warf Branwyn ein. »Nach jüdischem Brauch saßen sie lediglich in einem angrenzenden Raum zusammen, doch auch an ihrem Tisch sprach Jesus den Segen, wurde das Brot gebrochen und ging der Abendmahlskelch von Mund zu Mund.«
    »Niemals wäre es dem Galiläer in den Sinn gekommen, irgendeinen Unterschied zwischen den Geschlechtern zu machen«, bekräftigte Calpurnia. »Ganz im Gegenteil lehrte er die Gleichheit aller Menschen vor Gott, und auch daraus ergibt sich zweifelsfrei das Anrecht von Frauen auf das Priesteramt. – Aber wie dir bekannt ist, können gewisse Männer manchmal außerordentlich verbohrt sein, weshalb ich es damals, vor nunmehr vierzig Jahren, sehr schwer hatte, mich gegen sie zu behaupten. Ich erinnere mich noch gut an die Ängste und Zweifel, die mich zu jener Zeit quälten, und mehrmals geriet

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