Die bitter sueße Fortsetzung
dir nicht.«
»Komm mit mir nach Cantanzaro. Dort fangen wir beide ein neues Leben an. Ohne Mamma und ohne deinen Knilch.«
»Es ist dir wirklich ernst, oder?«
»Ja, Carlotta, das ist mein blutiger Ernst.« Ich überlege, wie ich weiter vorgehen muss, um das Vertrauen, das er jetzt zu mir hat, nicht wieder zu zerstören. Ich bitte ihn, mir noch einmal die Fotos der Plantage auf seinem Handy zu zeigen.
»Dort ist es wirklich schön«, sage ich und ich merke, dass mittlerweile der Druck auch von ihm ablässt.
»Oah«, stöhne ich auf. »Ich hab einen solchen Durst. Hast du etwas zu trinken im Auto?« Er schüttelt den Kopf. »Wollen wir nicht kurz in die Raststätte gehen und uns einen Kaffee bestellen?« Aber er lehnt entschieden ab. »Gut, dann bleibe ich hier im Wagen und warte auf dich. Für mich bitte einen starken Kaffee und ein Wasser.« Ungläubig schaut er mich an und ich weiß, dass er mir misstraut. Er verlangt das Handy zurück und ich sage ihm, dass er den Wagen ruhig wieder abschließen kann, weil ich nicht vorhabe, zu gehen, sondern auf ihn warten werde.
»Espresso?«
»Ja, mit ganz viel Zucker«, lächle ich gequält zurück.
Ich beobachtete ihn durch den Rückspiegel. Nur zögerlich bewegt er sich in Richtung Schnellrestaurant. Als er endlich aus meinem Blickwinkel entschwindet, kurbel ich das Fenster der Beifahrertür herunter und krieche mühevoll hinaus. Schnellen Schrittes laufe ich hinüber zu einem LKW, dessen Fahrer vor dem Wagen eine Zigarette raucht. Er ist Holländer und er versteht mich nicht sofort.
»Telefon! Polizei!«, schreie ich ihn an und steige in seinen Lastwagen und verschließe die Tür. In gebückter Haltung wähle ich mit seinem Handy die Nummer vom Notruf. Als wenig später die Polizei eintrifft, ist Maurizios Wagen schon weg.
Randnotiz in der Lokalzeitung
Tragödie am Polterabend
Das fröhliche Fest des Hamburger Unternehmers Martin Seibert nahm ein tragisches Ende. Als seine Zukünftige gegen Mitternacht ahnungslos in den Wagen zu Maurizio Martinelli stieg, nahm das Drama seinen Lauf. Wie aus Polizeikreisen bekannt wurde, fuhr der Vierzigjährige in der Absicht auf die A1, sich und seiner Begleiterin Charlotte T. das Leben zu nehmen. Als es ihr gelang, sich zu befreien, lenkte Martinelli seinen Wagen in hohem Tempo in die abgesperrte Baustellenzone und rammte einen Betonpfeiler. Er verstarb noch vor Eintreffen der Rettungskräfte. Als Grund für den tödlichen Verkehrsunfall werden Beziehungsprobleme vermutet. Für die Polizeidirektion Hamburg Süd war Maurizio M. kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde bereits in der Vergangenheit wiederholt wegen Stalking angezeigt.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Mehr als vierzehn Tage sind seit dem Polterabend vergangen und ich heiße immer noch Charlotte Talbach. Martin hat die Hochzeit kurzfristig abgesagt und alle aus der Familie hatten Verständnis. Ich kann nicht arbeiten, obwohl meine Hilfe dringend benötigt wird. Seit dem schrecklichen Ereignis kommt Maria nicht mehr. Sie schickte erst eine Krankenmeldung und dann ihre Kündigung. So können wir nicht auseinander gehen, das ist mir klar. Aber auch mir fehlte bisher der Mut, mit ihr zu sprechen, geschweige denn auf die Beerdigung zu gehen. Seit der besagten Nacht liege ich nur noch im Bett. Anja kümmert sich statt meiner um das Geschäft. Was wäre ich nur ohne meine beste Freundin?
Am liebsten wäre ich dauerhaft ohnmächtig. Denn wenn ich schlafe, dann träume ich von ihm und wenn ich wach bin, dann grüble ich über ihn. Wie hätte ich es bloß verhindern können? Trage ich eine Mitschuld? Sobald ich die Augen schließe, sehe ich sein Bild. Nicht das Bild eines durchgedrehten Stalkers, der mit 200 Sachen über die nassen Straßen rast, sondern das Bild von dem freundlichen und hilfsbereiten Maurizio Martinelli in seiner grünen Schürze. Er reicht mir Kisten mit Obst und lächelt charmant. Ich höre, wie er meinen Namen ruft. »Carlotta« und ich bekomme eine Gänsehaut. In meinen Visionen, gebe ich ihm keinen Korb, sondern tanze mit ihm und er verabschiedet sich mit den Worten »Schade, ich wäre gern noch länger geblieben. Aber du weißt ja. Wenn die Arbeit ruft...« Aber so war es nicht, Charlotte! So war es ganz und gar nicht!
Ich habe Martin versprochen, es ohne die Tabletten, die mir der Arzt verschrieben hat, durchzustehen. Ich weiß, dass er sich um mich sorgt. Auch er hatte stundenlang Todesangst
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