Die Blechtrommel
ersten Stichen zu kommen, mußte Jan, der »Contra« gab, den Hausmeister anbrüllen, gutmütig derb in die Seite stoßen, damit er sich zusammennahm und das Bedienen nicht vergaß; denn ich zog den beiden erst mal alle Trümpfe ab, opferte Kreuz König, den Jan mit Pique Junge wegstach, kam aber, da ich Karo blank war, Jans Karo Aß wegstechend, wieder ans Spiel, holte ihm mit Herz Bube die Zehn raus — Kobyella warf Karo neun ab, und stand dann bombensicher mit meiner Herzflöte da: Miteinemspielzweicontradreischneiderviermalkreuzistacht-undvierzigoderzwölfpfennige! Erst als mir beim nächsten Spiel — ich riskierte einen mehr als riskanten Grand ohne Zwein — Kobyella, der beide Jungs gegen hatte, aber nur bis dreiunddreißig gehalten hatte, den Karo Jungen mit Kreuz Bube wegstach, kam etwas Zug ins Spiel. Der Hausmeister, durch seinen Stich wie gestochen, kam mit Karo Aß hinterher, ich mußte bedienen, Jan pfefferte die Zehn rein, Kobyella strich weg, zog den König, ich hätte stechen sollen, stach aber nicht, warf Kreuz Acht ab, Jan talgte, was er konnte, kam sogar ans Spiel mit Pique Zehn, da stach ich und verdammt, Kobyella mit Pique Bube drüber, den hatte ich vergessen oder dachte, den hätte Jan, aber Kobyella hatte, stach drüber und wieherte, natürlich jetzt Pique hinterher, ich mußte abwerfen, Jan talgte, was er konnte, dann endlich kamen sie mir mit Herzen, aber das half alles nix mehr: zwoundfünfzig hatte ich hin und her gezählt: ohnezwein-spieldreimalgrandistsechzigverlorenhundertzwanzigoderdreißigpfenni-ge. Jan pumpte mir zwei Gulden in Kleingeld, ich zahlte, aber der Kobyella war trotz des gewonnenen Spieles schon wieder zusammengesackt, ließ sich nicht auszahlen, und selbst die in jenem Augenblick erstmals im Treppenhaus einschlagende Pakgranate sagte dem Hausmeister gar nichts, obgleich es sein Treppenhaus war, das er seit Jahren zu putzen und wichsen nicht müde geworden war.
Jan jedoch kam wieder die Angst an, als es die Tür unserer Briefkammer rüttelte und die Flämmchen der Talgkerzen nicht wußten, wie ihnen geschah und in welche Richtung sie sich legen sollten. Selbst als im Treppenhaus wieder verhältnismäßige Ruhe herrschte und die nächste Pakgranate an der entlegenen Außenfassade detonierte, tat Jan Bronski wie verrückt beim Kartenmischen, vergab sich zweimal, aber ich sagte nichts mehr. Solange die schössen, war Jan für keinen Zuspruch empfänglich, überreizte sich, bediente falsch, vergaß sogar, den Skat zu drücken, und lauschte immer mit einem seiner kleinen wohldurchgebildeten, sinnlich fleischigen Ohren nach draußen, während wir ungeduldig warteten, daß er dem Spielverlauf nachkomme. Während Jan immer unkonzentrierter das Skatspiel unterstützte, war Kobyella, wenn er nicht gerade zusammensacken wollte und eins in die Seite brauchte, immer da. Der spielte gar nicht so schlecht, wie es um ihn zu stehen schien. Der sackte immer erst zusammen, wenn er sein Spielchen gewonnen oder contragebend Jan oder mir einen Grand verpatzt hatte. Das konnte ihn nicht mehr interessieren: gewonnen oder verloren. Der war nur fürs Spiel selbst. Und wenn wir zählten und nochmal zählten, dann hing er schief in den ausgeliehenen Hosenträgern und erlaubte nur seinem Adamsapfel, schreckhaft ruckend, Lebenszeichen des Hausmeisters Kobyella zu geben.
Auch Oskar strengte dieser Dreimännerskat an. Nicht etwa, daß jene mit der Belagerung und Verteidigung der Post verbundenen Geräusche und Erschütterungen meine Nerven übermäßig belastet hätten. Es war vielmehr dieses erstmalige, plötzliche, und wie ich mir. vornahm, zeitlich begrenzte Fallenlassen aller Verkleidung. Wenn ich mich bis zu jenem Tage nur dem Meister Bebra und seiner somnambulen Dame Roswitha ungeschminkt gegeben hatte, gab ich mich nun meinem Onkel und mutmaßlichen Vater, dazu einem invaliden Hausmeister, also Leuten gegenüber, die später in keinem Fall mehr als Zeugen in Frage kamen, dem Geburtsschein entsprechend als fünfzehnjähriger Halbwüchsiger, der zwar etwas waghalsig, aber nicht ungeschickt Skat spielte. Diese Anstrengungen, die zwar meinem Willen gemäß, meinen gnomenhaften Maßen jedoch alles andere als angemessen waren, zeitigten nach einer knappen Stunde Skatspiels heftigste Glieder-und Kopfschmerzen.
Oskar hatte Lust aufzugeben, hätte auch Gelegenheit genug gefunden, sich etwa zwischen zwei kurz nacheinander das Gebäude schüttelnden Granateinschlägen davonzumachen, wenn ihm nicht ein
Weitere Kostenlose Bücher