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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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die Messe verlangte, räumte das Zeug auf die Wolke und verdrückte sich. Der ältere Rennwand hielt das Weihrauchkesselchen, der jüngere die Schellen. Mister machte trotz der ihm viel zu weiten Gewandung Hochwürden Wiehnke nicht schlecht nach, tat es anfangs noch mit pennälerhaftem Zynismus, ließ sich dann aber vom Text und der heiligen Handlung mitreißen, bot uns allen, besonders aber mir, nicht eine alberne Parodie, sondern eine Messe, die später, vor Gericht, immer als Messe, wenn auch als Schwarze Messe bezeichnet wurde.
    Die drei Burschen begannen mit den Stufengebeten: die Bande in den Bänken und auf den Fliesen beugte das Knie, schlug das Kreuz, und Mister hob an, den Wortlaut einigermaßen beherrschend, von den Meßdienern routiniert unterstützt, die Messe zu singen. Schon beim Introitus bewegte ich vorsichtig die Stöcke auf dem Blech. Das Kyrie begleitete ich kräftiger. Gloria in excelsis Deo — auf meinem Blech lobte ich, rief zur Oration, gab anstelle der Epistel aus der Tagesmesse eine längere Trommeleinlage. Der Allelujavers gelang mir besonders schön. Beim Credo merkte ich, wie die Burschen an mich glaubten, nahm das Blech beim Offertorium etwas zurück, ließ Mister Brot darbringen, Wein mit Wasser vermischen, ließ den Kelch und mich beräuchern, sah zu, wie sich Mister bei der Händewaschung benahm. Orate, fratres, trommelte ich im roten Taschenlampenlicht, leitete zur Wandlung über: Das ist mein Leib. Oremus, sang Mister, durch heilige Anordnung gemahnt — die Burschen in den Bänken boten mir zwei verschiedene Fassungen des Vaterunser, doch Mister verstand es, Protestanten und Katholiken bei der Kommunion zu einigen. Noch während sie genossen, trommelte ich ihnen das Confiteor ein. Die Jungfrau wies mit dem Finger auf Oskar, den Trommler.
    Die Nachfolge Christi trat ich an. Die Messe lief wie am Schnürchen. Misters Stimme schwoll und nahm ab. Wie schön er den Segen brachte: Nachlaß, Vergebung und Verzeihung, und als er die Schlußworte »ite, missa est« — gehet, jetzt ist die Entlassung — dem Kirchenraum anvertraute, fand wirklich eine geistige Entlassung statt, und die weltliche Inhaftierung konnte nur eine im Glauben gefestigte und in Oskars und Jesu Namen gestärkte Stäuberbande treffen.
    Ich hatte die Autos schon während der Messe gehört. Auch Störtebeker drehte den Kopf. So waren einzig wir beide nicht überrascht, als vom Hauptportal, auch von der Sakristei her, gleichfalls vom rechten Nebenportal Stimmen laut wurden, Stiefelabsätze auf Kirchenfliesen knallten.
    Störtebeker wollte mich vom Oberschenkel der Jungfrau heben. Ich winkte ab. Er verstand Oskar, nickte, zwang die Bande, auf den Knien zu bleiben, knieend die Kripo zu erwarten, und die Burschen blieben unten, zitterten zwar, manch einer ging auf beide Knie, alle aber warteten wortlos, bis sie durch das linke Seitenschiff, durch das Mittelschiff und von der Sakristei her zu uns gefunden, den linken Seitenaltar umstellt hatten.
    Viele grelle, nicht auf rot gestellte Taschenlampen. Störtebeker erhob sich, schlug das Kreuz, zeigte sich den Taschenlampen, übergab seinen Velourshut dem immer noch knieenden Kohlenklau und ging in seinem Regenmantel auf einen gedunsenen Schatten ohne Taschenlampe, auf Hochwürden Wiehnke zu, zog hinter dem Schatten etwas Dünnes, Umsichschlagendes hervor und ins Licht, Luzie Rennwand, und schlug solange in das verkniffene dreieckige Mädchengesicht unter der Baskenmütze, bis ihn der Hieb eines Polizisten zwischen die Kirchenbänke warf.
    »Mensch, Jeschke«, hörte ich von meiner Jungfrau herab einen der Kripos rufen, »das is doch der Sohn vom Chef!«
    So genoß Oskar mit leichter Genugtuung, im Sohn des Polizeipräsidenten einen tüchtigen Unterführer gehabt zu haben, und ließ sich widerstandslos, die Rolle eines greinenden, von Halbwüchsigen verführten Dreijährigen spielend, in Obhut nehmen: Hochwürden Wiehnke nahm mich auf den Arm.
    Nur die Kripos schrien. Die Jungens wurden abgeführt. Hochwürden Wiehnke mußte mich auf die Fliesen stellen, da ihn ein Schwächeanfall auf die nächste Kirchenbank zwang. Neben unserem Werkzeug stand ich, entdeckte hinter Stemmeisen und Hämmern jenen Proviantkorb voller Wurstbrote, die Dreschhase vor dem Einsatz geschmiert hatte.
    Den Korb griff ich mir, ging auf die magere, im dünnen Mantel fröstelnde Luzie zu und bot ihr die Stullen an. Sie hob mich, hielt mich rechts, behängte sich links mit den Wurstbroten, hatte auch schon

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