Die Blechtrommel
waren nicht einmal abgeneigt. Die Gymnasiasten jedoch lehnten jede politische Tendenz ab.
Der Luftwaffenhelfer Mister, Zyniker und Theoretiker der Stäuberbande, formulierte seine Ansicht während einer Bandenversammlung dahin: »Wir haben überhaupt nichts mit Parteien zu tun, wir kämpfen gegen unsere Eltern und alle übrigen Erwachsenen; ganz gleich wofür oder wogegen die sind.«
Wenn Mister sich auch reichlich überspitzt ausgedrückt hatte, stimmten ihm dennoch alle Gymnasiasten zu; es kam zu einer Spaltung der Stäuberbande. So machten die Schichaulehrlinge — was mir sehr leid tat, die Jungs waren tüchtig — einen eigenen Verein auf, hielten sich aber, gegen Störtebekers und Moorkähnes Einspruch, weiterhin für die Stäuberbande. Beim Prozeß — denn ihr Laden flog gleichzeitig mit unserem auf — wurde ihnen der Brand des U-Boot-Mutterschiffes im Werftgelände zur Last gelegt. Über hundert U-Boot-Fahrer und Fähnriche zur See, die sich in der Ausbildung befanden, kamen damals auf schreckliche Weise ums Leben. Der Brand brach auf dem Deck aus, verwehrte den unter Deck schlafenden U-Boot-Besatzungen das Verlassen der Mannschaftsräume, und als die kaum achtzehnjährigen Fähnriche durch die Bullaugen ins rettende Hafenwasser wollten, blieben sie mit den Hüftknochen stecken, wurden rückwärts vom rasch um sich greifenden Feuer erfaßt und mußten von den Motorbarkassen aus abgeschossen werden, da sie allzu laut und anhaltend schrien.
Wir haben das Feuer nicht gelegt. Vielleicht waren es die Lehrlinge der Schichauwerft, vielleicht aber auch Leute vom Westerlandverband. Die Stäuber waren keine Brandstifter, obgleich ich, ihr geistiger Rektor, vom Großvater Koljaiczek her brandstifterisch veranlagt sein mochte.
Gut erinnere ich mich des Monteurs, der von den Deutschen Werken Kiel zur Schichauwerft versetzt worden war und uns kurz vor der Spaltung der Stäuberbande besuchte. Erich und Horst Pietzger, die Söhne eines Stauers vom Fuchswall, brachten ihn zu uns in den Keller der Puttkamervilla.
Aufmerksam besichtigte er unser Depot, vermißte brauchbare Waffen, fand zögernd aber dennoch lobende Worte und verfiel, als er nach dem Chef der Bande fragte und von Störtebeker sofort, von Moorkähne zaudernd an mich verwiesen wurde, einem anhaltenden und so überheblichen Gelächter, daß nicht viel gefehlt hätte, und er wäre auf Oskars Wunsch den Stäubern zum Stäuben übergeben worden.
»Was issen das fürn Gnom?« sagte er zu Moorkähne und wies mit dem Daumen über die Schulter auf mich.
Bevor Moorkähne, der etwas verlegen lächelte, antworten konnte, gab Störtebeker beängstigend ruhig seine Antwort: »Das ist unser Jesus.«
Der Monteur, der sich Walter nannte, vertrug das Wörtchen nicht, erlaubte sich, in unseren Räumen zornig zu werden: »Sagt mal, seid ihr politisch in Ordnung oder seid ihr Meßdiener und übt Krippenspiele für Weihnachten ein?«
Störtebeker öffnete die Kellertür, gab Kohlenklau einen Wink, ließ die Klinge eines Fallschirmjägermessers aus seinem Jackenärmel springen und sagte mehr zur Bande als zu dem Monteur: »Wir sind Meßdiener und üben für Weihnachten Krippenspiele ein.«
Es geschah aber dem Herrn Monteur nichts Schmerzhaftes. Man verband ihm die Augen und führte ihn aus der Villa. Bald darauf waren wir für uns, denn die Lehrlinge der Schichauwerft setzten sich ab, machten unter der Leitung des Monteurs einen eigenen Verein auf, und ich bin sicher, daß sie es waren, die das U-Boot-Mutterschiff in Brand steckten.
Störtebeker hatte in meinem Sinne die richtige Antwort gegeben. Wir waren politisch uninteressiert und begannen, nachdem die Streifen-HJ eingeschüchtert ihre Diensträume kaum noch verließ oder allenfalls auf dem Hauptbahnhof die Ausweise kleiner, leichtlebiger Mädchen kontrollierte, unser Arbeitsfeld in die Kirchen zu verlegen und nach den Worten des linksradikalen Monteurs Krippenspiele einzuüben.
Zuerst galt es, für die abgeworbenen, recht tüchtigen Schichaulehrlinge Ersatz zu finden. Ende Oktober vereidigte Störtebeker zwei Meßdiener der Herz-Jesu-Kirche, die Brüder Felix und Paul Rennwand. Störtebeker war an die beiden über ihre Schwester Luzie herangekommen. Das noch nicht siebzehnjährige Mädchen war trotz meines Protestes bei der Vereidigung dabei. Die Brüder Rennwand mußten die linke Hand auf meine Trommel legen, in der die Burschen, überspannt wie sie sein konnten, eine Art Symbol sahen, und die Stäuberformel
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