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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Umzüge machen, die missen immer dablaibenund Koppchen hinhalten, damit de anderen drauftäppern können, weil unserains nich richtich polnisch is und nich richtich deitsch jenug, und wenn man Kaschub is, das raicht weder de Deutschen noch de Pollacken. De wollen es immer jenau haben!«
    Laut lachte meine Großmutter, versteckte die Petroleumflasche, den Kunsthonig und die Desinfektionsmittel unter jenen vier Röcken, die trotz heftigster, militärischer, politischer und weltgeschichtlicher Ereignisse nicht von ihrer Kartoffelfarbe gelassen hatten.
    Als sie gehen wollte und der Herr Fajngold sie noch um einen Augenblick Geduld bat, da er der Großmutter noch seine Frau Luba und den Rest der Familie vorstellen wollte, sagte Anna Koljaiczek, als Frau Luba nicht kam: »Nu lassen Se ma gut sain. Ech ruf auch immer: Agnes, maine Tochter, nu komm und half daine alte Mutter baim Wäscheauswringen. Und sie kommt jenau so nich, wie Ihre Luba nich mecht kommen. Und da Vinzent, was main Bruder is, jeht nachts wennes duster is trotz saine Krankheit vor de Tür und weckt de Nachbarn aussem Schlaf, wail ä laut ruft nach sain Sohn Jan, da auffe Post war und draufgegangen is.«
    Sie stand schon in der Tür und legte sich ihr Tuch um, da rief ich vom Bett aus: »Babka, babka!« das heißt Großmutter, Großmutter. Und sie drehte sich, hob schon ein wenig ihre Röcke, als wollte sie mich drunter lassen und mitnehmen, da erinnerte sie sich wahrscheinlich der Petroleumflaschen, des Kunsthonigs und der Desinfektionsmittel, die jenen Platz schon besetzten — und ging, ging ohne mich, ging ohne Oskar davon.
    Anfang Juni fuhren die ersten Transporte in Richtung Westen. Maria sagte nichts, aber ich merkte, daß auch sie von den Möbeln, vom Laden, von dem Mietshaus, von den Gräbern beiderseits der Hindenburgallee und von dem Hügel auf dem Friedhof Saspe Abschied nahm.
    Bevor sie mit Kurtchen in den Keller ging, saß sie abends manchmal neben meinem Bett am Klavier meiner armen Mama, hielt links ihre Mundharmonika und versuchte rechts mit einem Finger ihr Liedchen zu begleiten.
    Herr Fajngold litt unter der Musik, bat Maria, aufzuhören, und bat sie, sobald sie die Mundharmonika sinken ließ und den Klavierdeckel schließen wollte, doch noch ein bißchen zu spielen.
    Dann machte er ihr den Antrag. Oskar hatte das kommen sehen. Herr Fajngold rief immer seltener nach seiner Frau Luba, und als er an einem Sommerabend voller Fliegen und Gesumm ihrer Abwesenheit gewiß war, machte er Maria den Antrag. Sie und beide Kinder, auch den kranken Oskar wollte er aufnehmen. Die Wohnung bot er ihr an und die Teilhaberschaft am Geschäft.
    Maria war damals zweiundzwanzig. Ihre anfängliche, noch wie vom Zufall gefügte Schönheit zeigte sich gefestigt, wenn nicht verhärtet. Die letzten Kriegs-und Nachkriegsmonate hatten ihr jene Dauerwellen genommen, die Matzerath noch bezahlt hatte. Wenn sie auch nicht, wie zu meiner Zeit, Zöpfe trug, hing ihr das Haar doch lang auf die Schultern, erlaubte, in ihr ein etwas ernstes, womöglich verbittertes Mädchen zu sehen — und dieses Mädchen sagte nein, wies den Antrag des Herrn Fajngold zurück. Auf unserem ehemaligen Teppich stand Maria, hielt das Kurtchen links, zeigte mit dem rechten Daumen in Richtung Kachelofen, und Herr Fajngold und Oskar hörten sie sprechen:
    »Das jeht nich. Das is hier futsch und vorbei. Wir jehn ins Rheinland zu meine Schwester Guste. Die is da mit ainem Oberkellner aussem Hotelfach verheiratet. Der heißt Köster und wird uns vorlaifig aufnehmen, alle drei.«
    Am nächsten Tag schon stellte sie die Anträge. Drei Tage später hatten wir unsere Papiere. Der Herr Fajngold sprach nicht mehr, schloß das Geschäft, saß, während Maria packte, im dunklen Laden auf dem Ladentisch neben der Waage und mochte auch keinen Kunsthonig löffeln. Erst als Maria sich von ihm verabschieden wollte, rutschte er von seinem Sitz, holte das Fahrrad mit dem Anhänger und bot uns seine Begleitung zum Bahnhof an.
    Oskar und das Gepäck — wir durften pro Person fünfzig Pfund mitnehmen — wurden in dem zweirädrigen Anhänger, der auf Gummireifen lief, verladen. Herr Fajngold schob das Rad. Maria hielt Kurtchens Hand und drehte sich Ecke Eisenstraße, als wir links einbogen, noch einmal um. Ich konnte mich nicht mehr in Richtung Labesweg drehen, da mir das Drehen Schmerzen bereitete. So blieb Oskars Kopf ruhig zwischen den Schultern. Nur mit den Augen, die sich ihre Beweglichkeit bewahrt hatten,

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