Die Blechtrommel
wußte er zu berichten, der mit seinem Buckel nach Argentinien auswanderte und dort ein Geschäft für Nähmaschinen aufmachte, das dann später ganz groß wurde und einen Namen bekam.
Der Bericht über den erfolgreichen, buckligen Frydrych tröstete zwar nicht Maria, versetzte aber den Erzähler, den Herrn Fajngold, in solche Begeisterung, daß er sich entschloß, unserem Kolonialwarengeschäft ein anderes Gesicht zu geben. Mitte Mai, kurz nach Kriegsende bekam der Laden neue Artikel zu sehen. Die ersten Nähmaschinen und Nähmaschinenersatzteile tauchten auf, doch blieben, die Lebensmittel noch einige Zeit und halfen mit, den Übergang zu erleichtern.
Paradiesische Zeiten! Es kam kaum noch Bargeld zur Zahlung. Getauscht wurde, weitergetauscht, und der Kunsthonig, die Haferflocken, auch die letzten Beutelchen Dr. Oetkers Backpulver, Zucker, Mehl und Margarine verwandelten sich in Fahrräder, die Fahrräder und Fahrradersatzteile in Elektromotoren, diese in Werkzeug, das Werkzeug wurde zu Pelzwaren, und die Pelze verzauberte der Herr Fajngold in Nähmaschinen. Das Kurtchen machte sich bei diesem Tauschtauschtauschspielchen nützlich, brachte Kunden, vermittelte Geschäfte, lebte sich viel schneller als Maria in die neue Branche ein. Es war beinahe wie zu Matzeraths Zeiten. Maria stand hinter dem Ladentisch, bediente jenen Teil der alten Kundschaft, der noch im Lande war, und versuchte mit mühsamem Polnisch die Wünsche der neuzugezogenen Kunden zu erfahren. Kurtchen war sprachbegabt. Kurtchen war überall.
Herr Fajngold konnte sich auf das Kurtchen verlassen. Das Kurtchen mit seinen noch nicht ganz fünf Jahren spezialisierte sich und lockte unter hundert schlechten bis mittelmäßigen Modellen, die auf dem Schwarzen Markt in der Bahnhofstraße gezeigt wurden, die vorzüglichen Singer-und Pfaff-Nähmaschinen sofort heraus; und Herr Fajngold wußte Kurtchens Kenntnisse zu schätzen. Als Ende Mai meine Großmutter Anna Koljaiczek zu Fuß aus Bissau über Brenntau nach Langfuhr kam, uns besuchte und sich schwer atmend auf die Chaiselongue warf, lobte der Herr Fajngold das Kurtchen sehr und fand auch für Maria lobende Worte. Als er meiner Großmutter lang und breit die Geschichte meiner Krankheit erzählte, dabei immer wieder auf die Nützlichkeit seiner Desinfektionsmittel hinwies, fand er auch Oskar lobenswert, weil ich so still und brav gewesen, während der ganzen Krankheit nie geschrien habe.
Meine Großmutter wollte Petroleum haben, weil es in Bissau kein Licht mehr gab. Fajngold erzählte ihr von seinen Erfahrungen mit Petroleum im Lager Treblinka, auch von seinen vielseitigen Aufgaben als Lagerdesinfektor, ließ Maria zwei Literflaschen Petroleum abfüllen, gab ein Paket Kunsthonig und ein ganzes Sortiment Desinfektionsmittel dazu und lauschte nickend und abwesend zugleich, als meine Großmutter erzählte, was alles in Bissau und Bissau-Abbau während der Kampfhandlungen abgebrannt war. Auch von Schäden in Viereck, das man wieder wie einst Firoga nannte, wußte sie zu berichten. Und für Bissau sagte man wieder, wie vor dem Krieg, Bysewo. Den Ehlers aber, der doch Ortsbauernführer in Ramkau gewesen war und sehr tüchtig, der ihres Bruders Sohn Frau, also die Hedwig vom Jan, der auf der Post geblieben war, geheiratet hatte, den hatten die Landarbeiter vor seiner Dienststelle aufgehängt. Und hätten auch beinahe die Hedwig aufgehängt, weil sie als Frau von einem polnischen Helden den Ortsbauernführer genommen, auch weil der Stephan es zum Leutnant gebracht hatte, und die Marga war .doch beim BdM gewesen.
»Nu«, sagte meine Großmutter, »dem Stephan konnten se ja nu nich mähr, weil ä j ef allen is baim Eismeer, da oben. Aber de Marga wollten se ihr wegnehmen und im Lager stecken. Aber da hat der Vinzent sain Mund aufgemacht und jerädet, wie ä noch nie hat. Und nu is de Hedwig midde Marga bai uns und hilft auffem Acker. Aber dem Vinzent hat Reden so mitjenommen, dasser womöglich nich mä lange machen wird kennen. Und was die Oma anjeht, die hattes auch am Härzen und überall, och im Kopp, wo ihr son Damlack draufjetäppert hat, weil ä jemeint hat, er mißt mal.«
So klagte Anna Koljaiczek, hielt sich ihren Kopf, streichelte meinen wachsenden Kopf und kam dabei zu einiger betrachtender Einsicht: »So isses nu mal mit de Kaschuben, Oskarchen. Die trefft es immer am Kopp. Aber ihr werd ja nu wägjehn nach drieben, wo besser is, und nur de Oma wird blaiben.
Denn mit de Kaschuben kann man nich kaine
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