Die Blechtrommel
auf den Friedhof zu kommen, Verwaltung mit Friedhofsmütze: Travertin für zweistelliges Grab, Numero neunundsiebenzig, Feld acht, Webknecht, Hermann, Hand an Friedhofsmütze, Henkelmänner zum Wärmen beim Krematorium abgeben; und vorm Leichenhaus steht Schugger Leo.
Ich sagte zu Korneff: »Ist das nicht ein gewisser Schugger Leo, der mit den weißen Handschuhen?«
Korneff, die Furunkel hinter sich greifend: »Dat is Sabber Willem und nich Schugger Leo, da wohnt hier!«
Wie hätte ich mich mit dieser Auskunft zufriedengeben können. Schließlich hatte es mich zuvor in Danzig gegeben, und nun gab es mich in Düsseldorf, und immer noch hieß ich Oskar: »Bei uns gab es einen auf den Friedhöfen, der sah genau so aus und hieß Schugger Leo, und ganz zu Anfang, als er nur Leo hieß, war er auf einem Priesterseminar.«
Korneff, linke Hand an den Furunkeln, rechts den Dreiradwagen vor dem Krematorium wendend:
»Dat mag all sein Richtichkeit han. Kenn ne Menge, die so aussehn, anfangs auffem Seminar waren, jetzt auffem Friedhof leben und anners heißen. Dat hier is Sabber Willem!«
Wir fuhren an Sabber Willem vorbei. Der grüßte mit weißem Handschuh, und ich fühlte mich auf dem Südfriedhof wie zu Hause.
Oktober, Friedhofsalleen, der Welt fallen die Haare und Zähne aus, ich meine, immerzu schaukeln gelbe Blätter von oben nach unten. Stille, Sperlinge, Spaziergänger, der Motor des Dreiradwagens in Richtung Feld acht, das noch sehr fern liegt. Dazwischen alte Frauen mit Gießkannen und Enkelkindern, Sonne auf schwarzschwedischem Granit, Obelisken, sinnbildlich geborstene Säulen oder auch echter Kriegsschaden, grün angelaufener Engel hinter Taxus oder taxusähnlichem Grünzeug. Frau mit Marmorhand vor dem Auge, vom eigenen Marmor geblendet. Christus in Steinsandalen segnet Ulmen, und ein anderer Christus auf Feld vier, der eine Birke segnet. Schöne Gedanken auf der Allee zwischen Feld vier und Feld fünf: Sagen wir, das Meer. Und das Meer wirft unter anderem eine Leiche an den Strand. Vom Seesteg Zoppot her Violinenmusik und die schüchternen Anfänge eines Feuerwerkes zugunsten der Kriegsblinden. Ich beuge mich als Oskar und dreijährig über das Strandgut, hoffe, daß es Maria ist, Schwester Gertrud womöglich, die ich endlich mal einladen sollte. Aber es ist schön Luzie, bleich Luzie, wie mir jenes seinem Höhepunkt entgegeneilende Feuerwerk sagt und bestätigt. Auch hat sie wie immer, wenn sie es böse meint, ihr gestricktes Berchtesgadener Jäckchen an. Naß ist die Wolle, die ich ihr ausziehe. Gleichfalls naß ist das Jäckchen, das sie unter dem Strickjäckchen trägt. Und abermals blüht mir ein Berchtesgadener Jäckchen. Und ganz zum Schluß, da auch das Feuerwerk sich verausgabt hat und nur noch die Violinen, ,da finde ich unter Wolle auf Wolle in Wolle, in ein BdM-Turnhemd gewickelt ihr Herz, Luzies Herz, einen kühlen winzigen Grabstein, drauf steht geschrieben: Hier ruht Oskar - Hier ruht Oskar — Hier ruht Oskar ...
»Schlaf nich Jong!« unterbrach Korneff meine schönen, vom Meer angeschwemmten, vom Feuerwerk illuminierten Gedanken. Links bogen wir, ein, und Feld acht, ein neues Feld ohne Bäume mit wenig Grabsteinen, lag platt und hungrig vor uns. Deutlich hoben sich aus dem Einerlei der noch ungepflegten, weil zu frischen Gräber die letzten fünf Beerdigungen ab: modernde Berge brauner Kränze mit verflossenen, verregneten Schleifen.
Numero neunundsiebenzig fanden wir schnell am Anfang der vierten Reihe, dicht neben Feld sieben, das einige junge schnellwachsende Bäume aufwies, auch mit Metersteinen, zumeist schlesischem Marmor, verhältnismäßig regelmäßig bewachsen war. Wir fuhren an neunundsiebenzig von hinten heran, luden das Werkzeug, Zement, Kies,Sand, den Sockel und jene Travertinwand ab, die leicht speckig glänzte. Der Dreiradwagen machte einen Sprung, als wir den Brocken von der Ladefläche auf die Kiste mit den Hölzern zum Abbänken rollten. Korneff zog das provisorische Holzkreuz, auf dessen Querbalken H. Webknecht und E. Webknecht stand, aus dem Kopfende des Grabes, ließ sich von mir den Gräber reichen und begann, die beiden Löcher, einssechzig tief nach Friedhofsvorschrift, für die Betonpfeiler auszuheben, während ich auf Feld sieben Wasser holte, dann Beton anmachte, damit fertig war, als er bei einsfünfzig fertig sagte und ich mit dem Ausstampfen der beiden Löcher beginnen konnte, während Korneff schnaufend auf der Travertinwand saß, hinter sich griff und
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