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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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seine Furunkel betastete. »Is bald soweit. Han ich jenau im Jefühl, wenn die soweit sind und hops sagen.« Ich stampfte und dachte mir wenig dabei. Von Feld sieben kroch ein protestantisches Begräbnis über Feld acht nach Feld neun. Als sie drei Reihen vor uns vorbeikamen, rutschte Korneff von der Travertinwand, und wir zogen vom Pastor an bis zu den allernächsten Angehörigen nach Friedhofsvorschrift die Mützen. Hinter dem Sarg ging ganz alleine eine kleine, schwarze, schiefe Frau.
    Danach waren alle viel größer und stämmiger.
    »Du kriechst de Tör nich zu!« stöhnte Korneff neben mir. »Ich han dat Jefühl, die wolln raus, bevor wir die Wand zum Stehn jebracht han.«
    Inzwischen war das Begräbnis auf Feld neun angekommen, sammelte sich und gebar die auf-und abschwellende Stimme eines Pfarrers. Wir hätten jetzt den Sockel aufs Fundament legen können, da der Beton angezogen hatte. Aber Korneff legte sich bäuchlings übet die Travertinwand, schob sich seine Mütze zwischen Stirn und Stein, zerrte, den Nacken freilegend, den Jacken-und Hemdkragen zurück, während Einzelheiten aus dem Leben des Verstorbenen von Feld neun bei uns auf Feld acht bekannt wurden. Nicht nur die Travertinwand mußte ich erklettern, Korneff hockte ich hinten drauf und begriff die ganze Bescherung: es waren zwei nebeneinander. Ein Nachzügler mit zu großem Kranz strebte Feld neun und der langsam zu Ende gehenden Predigt entgegen. Mit einem Buchenblatt wischte ich, nachdem ich mit einem Zug das Pflaster entfernt hatte, die Ichtolansalbe weg und sah die beiden fast gleichgroßen, teerbraun ins Gelb übergehenden Verhärtungen. »Lasset uns beten«, wehte es von Feld neun herüber. Ich nahm das zum Zeichen, hielt den Kopf seitlich weg, drückte und zog mit Buchenblättern unter den Daumen.
    »Vater unser...« Korneff knirschte: »Ziehen mußte, nicht drücken.« Ich zog.
    »... werde Dein Name.« Korneff gelang es, mitzubeten: »... komme Dein Reich.« Da drückte ich doch, weil ziehen nicht half. »Wille geschehe, wie im, also auch.« Daß es nicht knallte, war ein Wunder.
    Und noch einmal: »gib uns heute.« Jetzt war Korneff wieda im Text: »Schuld und nicht in Versuchung
    ...« Das war mehr, als ich dachte. »Reich, Kraft und Herrlichkeit.« Holte den bunten Rest heraus.
    »Ewigkeit, Amen.« Während ich noch einmal zog, Korneff: »Amen« und noch einmal drückte:
    »Amen«, als die drüben auf Feld neun schon mit dem Beileid anfingen, Korneff immer noch:
    »Amen«, lag platt und erlöst auf dem Travertin, stöhnte: »Amen«, auch: »Haste noch Beton für untern Sockel?« Ich hatte und er: »Amen.«
    Die letzten Schippen voll schüttete ich als Verbindung zwischen die beiden Pfeiler. Da schob sich Korneff von der polierten Schriftfläche und ließ sich von Oskar die herbstlich bunten Buchenblätter mit dem ähnlich gefärbten Inhalt der beiden Furunkel zeigen. Die Mützen rückten wir zurecht, legten Hand an den Stein und stellten das Grabdenkmal für Hermann Webknecht und Else Webknecht, geb.
    Freytag, auf, während sich das Begräbnis auf Feld neun verflüchtigte.

FORTUNA NORD
    Grabsteine konnten sich damals nur Leute leisten, die Wertvolles auf der Erdoberfläche zurückließen.
    Es mußte nicht einmal ein Diamant oder eine ellenlange Perlenkette sein. Für fünf Zentner Kartoffeln gab es schon einen ausgewachsenen Meterstein aus Grenzheimer Muschelkalk. Stoff für zwei Anzüge mit Weste brachte uns das Denkmal für ein Doppelgrab aus Belgischem Granit auf drei Sockeln ein.
    Die Witwe des Schneiders, die den Stoff hatte, bot uns gegen eine Grabeinfassung aus Dolomit die Verarbeitung des Stoffes an, da sie noch einen Gesellen beschäftigte.
    So kam es, daß Korneff und ich nach Feierabend mit der Zehn in Richtung Stockum fuhren, die Witwe Lennert aufsuchten und uns Maß nehmen ließen. Oskar trug damals, lächerlich genug, eine von Maria umgearbeitete Panzerjägeruniform, deren Jacke, obgleich die Knöpfe versetzt waren, meiner besonderen Ausmaße wegen nicht zu schließen war.
    Der Geselle, den die Witwe Lennert Anton nannte, baute mir aus dunkelblauem, feingestreiftem Tuch einen Anzug nach Maß: einreihig, aschgrau gefüttert, die Schultern gut, aber nicht falsche Werte schaffend unterarbeitet, der Buckel nicht etwa kaschiert, eher dezent betont, die Hosen mit Umschlag, doch nicht zu weit; es war ja noch immer Meister Bebra mein gutangezogenes Vorbild. Deshalb auch keine Schlaufen für einen Gürtel, sondern Knöpfe für

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