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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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beim Schlafen?«
    Ich ließ ihn auslachen, erklärte ihm dann, daß ein Buckel nicht unbedingt stören müsse, daß ich ihm gewissermaßen überlegen sei, daß es sogar Frauen und Mädchen gebe, die nach einem Buckel Verlangen zeigten, die sich den besonderen Verhältnissen und Möglichkeiten eines buckligen Mannes sogar anglichen, die, rundheraus gesagt, an solch einem Buckel Spaß fänden. , Korneff dachte mit dem Kinn auf dem Harkenstiel nach: »Dat mag sein Möchlichkeit han, davon hannich jehört.«
    Dann erzählte er mir von seiner Zeit in der Eifel, da er in Basaltbrüchen gearbeitet und es mit einer Frau gehabt hatte, deren Holzbein, das linke glaube ich, abgeschnallt werden konnte, was er mit meinem Buckel verglich, auch wenn man meine »Kiste« nicht abschnallen könne. Lang, breit und umständlich erinnerte sich der Steinmetz. Ich wartete geduldig, bis er fertig war und die Frau ihr Bein wieder angeschnallt hatte, bat ihn dann um eine Besichtigung seiner Werkstatt.
    Korneff öffnete das Blechtor in der Mitte des Drahtzaunes, wies mit der Harke einladend in Richtung der offenen Schiebetür, und ich ließ den Kies unter mir knirschen, bis der Geruch von Schwefel, Kalk, Feuchtigkeit mich gefangennahm.
    Schwere, oben abgeflachte, birnenförmige Holzknüppel mit faserigen, immer denselben Schlag verratenden Vertiefungen ruhten auf grobgespitzten, doch schon mit den vier Schlägen gerichteten Flächen. Spitzeisen für Bossierschlägel, Spitzeisen mit Knüppelköpfen, frisch nachgeschmiedete, vom Härten noch blaue Zahneisen, die langen federnden Beiz-und Schlageisen für Marmor, gedrungen breitspurig Schariereisen auf einem Stück Blaubank, Schleifschlamm auf vierkantigen Holzböcken trocknend, auf Rundhölzern, bereit zum Davonrollen, eine hochkant gestellte, matt und fertig geschliffene Travertinwand: fett, gelb, käsig, porig, für ein zweistelliges Grab.
    »Dat issen Stockhammer, dat issen Flecht, dat issen Nuteisen und dat«, Korneff hob eine handbreite, drei Schritt lange Latte, hielt die Kante prüfend vors Auge, »dat issen Richtlatz. Damit verkammesöl ich de Stifte, wenn se nech spuren.«
    Meine Frage war nicht nur höflich: »Beschäftigen Sie denn Lehrlinge?«
    Korneff führte Beschwerde: »Fönf könnt ich anne Arbeit halten. Sin aber kein zu kriegen. De lern' heut all Schwarzhandel, de Jack!« Gleich mir war der Steinmetz gegen jene dunklen Geschäfte, die manch jungen hoffnungsvollen Mann hinderten, einen ordentlichen Beruf zu lernen. Während Korneff mir verschiedene grobe bis feine Carborundumsteine und ihre Schleifwirkung auf einer Solnhofer Platte vorführte, spielte ich mit einem kleinen Gedanken. Bimssteine, der schokoladenbraune Schellackstein fürs Vorpolieren, die Tripelerde, mit der man, was vorher matt war, blank tripelt, und immer noch, doch schon glänzender, mein kleiner Gedanke. Korneff zeigte mir Schriftvorlagen, erzählte von erhabener und vertiefter Schrift, vom Schriftvergolden, auch daß das alles halb so wild sei mit dem Gold: mit einem guten alten Taler könne man Roß und Reiter vergolden, was mir sofort das immer in Richtung Sandgrube reitende Denkmal des Kaiser Wilhelm in Danzig auf dem Heumarkt verdeutlichte, den zu vergolden nun polnische Denkmalpfleger beschließen mochten, gab aber trotz Roß und Reiter in Blattgold den kleinen, immer wertvoller werdenden Gedanken nicht auf, spielte mit ihm, formulierte schon, als Korneff mir die dreibeinige Punktiermaschine für Bildhauerarbeiten erklärte, mit dem Knöchel gegen die verschiedenen, nach links oder rechts orientierten Gipsmodelle des Gekreuzigten pochte: »Sie würden also einen Lehrling einstellen?« Mein kleiner Gedanke machte sich auf den Weg. »An sich suchen Sie doch einen Lehrling, oder?« Korneff rieb sich die Heftpflaster über seinem Furunkelnacken. »Ich meine, würden Sie mich gegebenenfalls als Lehrling einstellen?« Die Frage war schlecht gestellt, und ich verbesserte mich sogleich: »Unterschätzen Sie bitte meine Kräfte nicht, werter Herr Korneff! Nur meine Beine sind etwas schwächlich. Am Zupacken soll es jedoch nicht fehlen!« Begeistert von meiner eigenen Entschlußkraft und nun aufs Ganze gehend, entblößte ich meinen linken Oberarm, bot Korneff einen zwar kleinen, aber rindfleischzähen Muskel zum Fühlen an, langte mir, da er nicht fühlen wollte, ein Bossiereisen vom Muschelkalk, ließ das sechskantige Metall beweiskräftig auf meinem tennisballgroßen Hügelchen springen, unterbrach diese

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