Die Blechtrommel
ankündigte.
Heiß gab sich die Band, spielte »Jimmy the Tiger«. Damit war wohl ich gemeint, obgleich niemand in der Löwenburg von meiner Trommlerlaufbahn unter Tribünengerüsten wissen konnte. Jedenfalls flüsterte mir das junge quecksilbrige Ding mit dem hennaroten Wuschelkopf, das mich zum Herrn ihrer Wahl auserkor, tabakheiser und kaugummibreit »Jimmy the Tiger« ins Ohr. Und während wii schnell, Dschungel und Dschungelgefahren heraufbeschwörend, Jimmy tanzten, ging auf Tigerpfoten der Tiger um, was etwa zehn Minuten dauerte. Abermals gab es Tusch, Beifall und nochmals Tusch, weil ich einen gutangezogenen Buckel hatte, dazu flink auf den Beinen war und als Jimmy the Tiger keine schlechte Figur machte. Ich bat die mir gewogene Dame an meinen Tisch, und Helma — so hieß sie -bat, ihre Freundin Hannelore mitbringen zu dürfen. Hannelore war schweigsam, seßhaft und trank viel. Helma hatte es mehr mit den Amizigaretten, und ich mußte beim Ober nachbestellen.
Ein gelungener Abend. Ich tanzte »Hebaberiba«, »In the mood«, »Shoeshine boy«, plauderte zwischendurch, versorgte zwei leicht zufriedenzustellende Mädchen, die mir erzählten, daß sie beide beim Fernsprechamt am Graf-Adolf-Platz arbeiteten, daß aber noch mehr Mädchen vom Fernsprechamt jeden Sonnabend und Sonntag zu Wedig in die Löwenburg kämen. Sie seien jedenfalls jedes Wochenende da, wenn sie nicht gerade Dienst hätten, und auch ich versprach, des öfteren wiederzukommen, weil Helma und Hannelore so nett seien, weil man sich mit Mädchen vom Fernsprechamt — hier machte ich ein Wortspiel, das beide sofort verstanden — auch nahe beieinander sitzend gut verstehe.
In die Krankenanstalten ging ich längere Zeit nicht mehr. Und als ich wieder dann und wann einen Besuch machte, war Schwester Gertrud auf die Frauenstation versetzt worden. Ich sah sie nie mehr oder nur einmal flüchtig, von weitem grüßend. In der Löwenburg wurde ich gerngesehener Stammgast. Die Mädchen nahmen mich tüchtig, doch nicht maßlos aus. Durch sie lernte ich einige Angehörige der britischen Besatzungsarmee kennen, schnappte hundert Wörtchen Englisch auf, schloß auch Freundschaft, sogar Duzbruderschaft mit einigen Mitgliedern der Löwenburgband, bezwang mich aber, was die Trommelei betraf, setzte mich also nie hinter das Schlagzeug, sondern begnügte mich mit dem kleinen Glück der Schriftklopferei in Korneffs Steinmetzbude.
Während des strengen Winters siebenundvierzigachtundvierzig hielt ich Kontakt mit den Mädchen des Fernsprechamtes, erhielt auch einige nicht allzu kostspielige Wärme bei der schweigsam seßhaften Hannelore, wobei wir jedoch knapp Distanz wahrten und uns auf das unverbindliche Handwerk verließen.
Im Winter pflegt sich der Steinmetz. Das Werkzeug muß nachgeschmiedet werden, einigen alten Brocken wird die Schriftfläche abgestockt, wo Kanten fehlen, schleift man Fasen, zieht Hohlkehlen.
Korneff und ich füllten das während der Herbstsaison gelichtete Grabsteinlager wieder auf, stampften einige Kunststeine aus Muschelkalkversatz. Auch versuchte ich mich in leichteren Bildhauerarbeiten mit der Punktiermaschine, schlug Reliefs, die Engelköpfe, Christi dornengekröntes Haupt und die Taube des Heiligen Geistes darstellten. Wenn Schnee fiel, schippte ich Schnee, und wenn kein Schnee fiel, taute ich die Wasserleitung zur Schleifmaschine auf.
Ende Februar achtundvierzig — der Karneval hatte mich abmagern lassen, ich schaute womöglich etwas vergeistigt aus, denn in der Löwenburg nannten mich einige Mädchen »Doktor« — kamen kurz nach Aschermittwoch die ersten Bauern vom linken Rheinufer und besichtigten unser Grabsteinlager.
Korneff war abwesend. Er machte seine alljährliche Rheumakur, arbeitete in Duisburg vor einem Hochofen, und als er nach vierzehn Tagen ausgedörrt und ohne Furunkel zurückkam, hatte ich schon drei Steine, darunter einen für ein dreistelliges Grab, günstig verkaufen können. Korneff schlug noch zwei Kirchheimer Muschelkalkwände los, und Mitte März begannen wir mit dem Versetzen. Ein Schlesischer Marmor ging nach Grevenbroich; die zwei Kirchheimer Metersteine stehen auf einem Dorffriedhof beiNeuß; den roten Mainsandstein mit von mir geschlagenem Engelsköpfchen kann man heute noch auf dem Stommler Friedhof bewundern. Die Diabaswand mit dem Dornenkronenchrist für das dreistellige Grab luden wir Ende März auf und fuhren langsam, weil der Dreiradwagen überladen war, in Richtung Kappes-Hamm, Rheinbrücke
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