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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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auf den Brissagoinseln, und wenn dann meine Stimme maßgerecht ihren Schnitt machte, endlich den Ausschnitt auf ein Kistchen »Schwarze Weisheit« klappen ließ, klappte ein Taschenmesser in jenen Herren zusammen.
    Da machten sie kehrt, da überquerten sie mit dem Spazierstock rudernd die Straße, hasteten, ohne mich zu bemerken, an mir und meinem Hauseingang vorbei und erlaubten Oskar, über ihr verstörtes und wie vom Teufel geschütteltes Altherrengesicht zu lächeln — welchem Lächeln sich leichte Sorge beimischte, denn die Herren, zumeist hochbetagte Zigarrenraucher, schwitzten kalt und heiß, setzten sich also, besonders bei umschlagendem Wetter, der Gefahr einer Erkältung aus.
    Versicherungsgesellschaften haben in jenem Winter, den zumeist gegen Diebstahl versicherten Geschäften unseres Vorortes, beträchtliche Entschädigungen zahlen müssen. Wenn ich es auch nie auf Großdiebstähle ankommen ließ und die Scheibenausschnitte mit Absicht so bemaß, daß jeweils nur ein bis zwei Objekte den Auslagen entnommen werden konnten, häuften sich doch die als Einbruch bezeichneten Fälle so, daß die Kriminalpolizei kaum zur Ruhe kam, dennoch von der Presse als untüchtige Polizei beschimpft wurde. Vom November sechsunddreißig bis März siebenunddreißig, da der Oberst Koc in Warschau eine Regierung der Nationalen Front bildete, zählte man vierundsechzig versuchte und achtundzwanzig tatsächliche Einbrüche der gleichen Art. Zwar konnte einem Teil dieser älteren Frauen, Ladenschwengel, Dienstmädchen und pensionierten Oberlehrer, die ja alle keine passionierten Diebe waren, die Beute von Beamten der Kriminalpolizei wieder abgenommen werden, oder es fiel den laienhaften Schaufenstermardern am nächsten Tage, nachdem ihnen der Gegenstand ihrer Wünsche eine schlaflose Nacht bereitet hatte, ein, zur Polizei zu gehen und zu sagen: »Ach, verzeihen Sie. Es soll nicht wieder vorkommen. Auf einmal war da ein Loch in der Scheibe, und als ich mich vom Schreck halbwegs erholt hatte und das geöffnete Schaufenster schon drei Straßenkreuzungen hinter mir lag, mußte ich bemerken, daß ich ein Paar wunderbare, sicher teure, wenn nicht sogar unbezahlbare, fein lederne Herrenhandschuhe in der linken Manteltasche auf ungesetzliche Art beherbergte.«
    Da die Polizei nicht an Wunder glaubt, mußten alle, die ertappt wurden, alle, die sich selbst der Polizei stellten, Gefängnisstrafen zwischen vier Wochen und zwei Monaten abbüßen.
    Ich selbst litt dann und wann unter Hausarrest, denn Mama ahnte natürlich, auch wenn sie es sich und klugerweise auch der Polizei nicht eingestand, daß meine, dem Glas gewachsene Stimme mit im verbrecherischen Spiel war.
    Matzerath gegenüber, der sich betont ehrenvoll geben wollte, ein Verhör anstellte, verweigerte ich jede Aussage und versteckte mich mit immer größerem Geschick hinter meiner Blechtrommel und der permanenten Größe des zurückgebliebenen Dreijährigen. Mama rief nach solchen Verhören immer wieder: »Daran ist da Liliputaner schuld, wo Oskarchen auf de Stirn jeküßt hat. Ahnt' ich doch gleich, daß das was zu bedeuten hat, denn früher war Oskar ganz anders.«
    Ich gebe zu, daß Herr Bebra mich leicht und nachhaltend beeinflußte. Konnten mich doch selbst die Hausarreste nicht davon abhalten, bei einigem Glück einen einstündigen, allerdings ungefragten Urlaub zu erwirken, der es mir gestattete, einem Kurzwarengeschäft die berüchtigte kreisrunde Lücke in die Schaufensterscheibe zu singen und einen hoffnungsvollen jungen Mann, der Gefallen an den Auslagen des Geschäftes fand, zum Besitzer einer echtseidenen, weinroten Krawatte zu machen.
    Wenn Sie mich fragen: War es das Böse, das Oskar befahl, die ohnehin starke Versuchung einer gutgeputzten Schaufensterscheibe durch einen handgroßen Einlaß zu steigern, muß ich antworten: Es war das Böse. Allein schon deswegen war es das Böse, weil ich in dunklen Hauseingängen stand.
    Denn ein Hauseingang ist, wie bekannt sein sollte, der beliebteste Standort des Bösen. Andererseits, ohne das Böse meiner Versuchungen schmälern zu wollen, muß ich heute, da ich weder Gelegenheit noch den Hang zur Versuchung verspüre, mir und meinem Pfleger Bruno sagen: Oskar, du hast all den stillen und in Wunschobjekten verliebten winterlichen Spaziergängern nicht nur die kleinen und mittelgroßen Wünsche erfüllt, du hast den Leuten vor den Schaufensterscheiben auch geholfen, sich selbst zu erkennen. Manch solid elegante Dame, manch

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