Die blonde Geisha
Vater sich gewünscht hat.”
Kathlenes Augen blitzten wutentbrannt auf. “Das ist nicht wahr. Mein Vater hätte mich niemals verkauft.”
“Als Mallory-san dich herbrachte wusste er genau, dass dieser Tag kommen würde, falls er nicht zurückkäme. Der Tag, an dem du deine Jungfräulichkeit verkaufen musst.”
Kathlene riss ungläubig die Augen auf. “Mein Vater
wusste
das?”
Simouyé nickte. “Ja, er wusste es.”
Kathlene wandte sich ab und verbarg ihre Gefühle hinter ihren weiten Kimonoärmeln. Simouyé konnte sie zittern sehen, nicht wegen der Kälte im Zimmer, sondern wegen der Kälte in ihrem Herzen.
Das Mädchen senkte den Kopf.
Schweigen.
Hatte Kathlene-san damit nun endlich ihr Schicksal akzeptiert?
Simouyé war zufrieden, der Handel geschlossen. Die Zeremonie würde so schnell wie möglich stattfinden. Ein wunderschönes Mädchen, ein lüsterner Mann. Nun musste nur noch ein formelles Treffen vereinbart werden. Ein Treffen, bei dem Kathlene dem Baron ihre Antwort geben würde, indem sie ihm die Statue einer Geisha überreichte.
Simouyé seufzte, als sie zusammen mit Kathlene durch das Teehaus zu dem Raum ging, in dem der Baron wartete. Simouyé war sicher, dass heiße Tränen auf Kathlenes Kimono tropften und dunkle Spuren hinterließen. Sie hob das Kinn und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Sie hatte alles versucht, um den Baron von seinem Vorhaben abzubringen, doch es war ihr nicht gelungen. Dann sei es so, dachte Simouyé. Das Ritual würde stattfinden, ein sehr erotisches und sinnliches Ritual, bei dem das Blütenherz der Jungfrau darauf vorbereitet wurde, ihren Wohltäter zu empfangen. Sieben Nächte würde es dauern.
Lied der Kissen
Heute Nacht wird sich für dich
,
mein Freund
,
die erste Kirschblüte in Kioto öffnen.
Wenn du wünschst
,
ihre rätselhaften Reize
zu entdecken
,
komm zur dritten Stunde
und preise den Mond.
(Geisha-Lied, ca. 1890)
9. KAPITEL
I ch hockte auf meinen Fersen vor dem niedrigen, spiegelblanken schwarzen Lacktisch, umklammerte die Porzellanstatue, konnte aber nicht verhindern, dass meine Hände zitterten. Ich hielt mein Schicksal in der Hand, die kleine Statue einer Geisha, die in ihren hohen Lackschuhen vor sich hintrippelte.
Meine Finger glitten über den Boden der Statue, und ich grübelte über diese unerwartete Veränderung in meinem Leben nach. Eine zweite, identische Statue stand auf der Bodenmatte. Der einzige Unterschied zwischen den beiden war, dass der Boden der zweiten
nicht
glatt war. Ich konnte nicht anders als zu lächeln. Dort war das Bild eines Mannes und einer Frau eingraviert, die sich gerade liebten. Sein riesiger Jadestab stieß eifrig in ihre Seerose.
Die Statue mit dem gravierten Bild bedeutete, dass ich dem Baron gestatten würde, mit mir den Futon zu teilen.
Die andere Statue mit der glatten Unterfläche bedeutete meine Verweigerung.
Mich ohne Liebe in meinem Herzen verkaufen zu müssen, fand ich furchtbar, und ich beneidete die anderen Maikos, die ihre Körper, ohne zu hinterfragen, verkauften, die sich nicht gegen diese völlige Unterwerfung auflehnten. Sie waren wirklich frei. Ich nicht. Nicht auch nur einen Moment lang. Ich war eine Sklavin meiner eigenen Leidenschaft.
Etwas in mir schrie danach, es den anderen Geishas gleichzutun, meine Aufsässigkeit nun zu überwinden und die Harmonie im Teehaus des Sehnsuchtsbaumes zu bewahren. Ein anderer Teil von mir aber wollte etwas ganz anderes.
Noch bevor ich meine Meinung ändern konnte, stellte ich die Statue mit der glatten Unterfläche auf den Tisch, was ein Nein als Antwort bedeutete, und blickte dann durch die offene Tür in den Garten. Niemand hatte gesehen, welche Statue ich wählte. Von dem Plätschern des künstlichen Wasserfalls abgesehen und den Regentropfen, die sanft aufs Dach prasselten, war alles still. Wann hatte es angefangen zu regnen? Ich konnte mich nicht erinnern. Geduldig hatte ich in einem Hinterzimmer des Teehauses gewartet, nach altem Brauch befanden sich die wichtigsten Räume immer im hinteren Teil. Von hier aus konnte ich sehen, wie pinkfarbene Lotusblumen auf dem kleinen hübschen Teich schwammen. In einer Ecke stand ein Glaskäfig mit einem ausgestopften rotweißen Vogel. Sein Schnabel war geöffnet, als hätte ihn sein Schicksal ereilt, bevor er noch einen letzten Ton ausstoßen konnte. Es hätte mich nicht gewundert, wenn der Vogel zu krächzen begonnen hätte.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Wer war das? Heftig drehte ich den
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