Die blonde Geisha
viel in der westlichen Welt gelernt und darüber beinahe die japanische Art vergessen, Gedanken zu verbergen. Daher muss ich aussprechen, was ich denke.”
“Wie Sie wünschen, Baron Tonda-sama”, sagte Simouyé sich tief verneigend.
Der Baron sah auf mich herab. Ich konnte den Blick nicht abwenden.
“Dein Herz ist so kalt wie der Schnee auf dem Mount Fuji, der auf deinen Kimono gemalt ist, schöne Maiko.” Er hob das Schwert und durchschnitt den Ärmel meines Kimonos. “Was du brauchst ist ein Mann, der dich erregen kann, der dich dazu bringt, vor Lust auf den Knien zu rutschen und aus süßem Schmerz aufzuschreien.” Er zögerte. “Ich bin dieser Mann.”
Wütend hielt ich meinen zerschnittenen Ärmel fest und rief mit glühenden Augen. “Sie werden mich nie dazu bringen, mich Ihnen zu unterwerfen, Baron Tonda-sama.”
“Ich würde dich hier und jetzt nehmen, wenn das die Götter nicht verärgern würde, aber wie es nun mal Geisha-Tradition ist, warte ich auf deine Antwort.”
Er wollte meine Antwort? Die konnte er haben.
Ohne mich um besondere Anmut zu bemühen, stand ich auf, hob einen Arm, packte die Statue mit der glatten Unterfläche und warf sie auf den Baron.
Der gut aussehende Samurai duckte sich, die Porzellanfigur zerschmetterte auf dem Boden.
“Das ist meine Antwort, Baron Tonda-sama”, sagte ich. “So viel steht fest: Ich werde Ihnen meinen Körper niemals verkaufen.”
Dann wandte ich ihm und Okâsan den Rücken zu, lief in den Garten, hinein in die Nacht und den Regen.
Mariko hörte das Zerschlagen von Porzellan, die bösen Worte und sich eilig entfernende Schritte. Sofort begriff sie, was geschehen war und fürchtete sich vor dem, was folgend würde. Sie hielt sich den Mund zu, um nicht entsetzt aufzuschreien. Sie konnte nichts tun, um ihrer Freundin zu helfen.
Nichts.
Denn das könnte sie ihren eigenen Kopf kosten.
Mariko hatte sich in eine enge Wandnische gedrückt, in der tagsüber das Bettzeug aufbewahrt wurde. Zu Zeiten der Shôguns hatten sich auf diese Weise viele Loyalisten versteckt, um ihre Haut zu retten. Es war ein offenes Geheimnis, dass das Teehaus des Sehnsuchtsbaumes ein Zufluchtsort für Männer gewesen war, die versuchten, den ehemaligen Herrscher wieder auf den Thron zu setzen.
Mariko hatte sich oft in diesem Wandschrank versteckt, wenn sie der Schelte von Okâsan aus dem Weg gehen wollte, weil sie die Blumen mal wieder nicht richtig arrangiert hatte. So sehr sie sich auch anstrengte, die fünfundvierzig Handgriffe auswendig zu lernen, nie standen die Pfingstrosen aufrecht in der Bronzevase, sondern neigten sich in die eine oder andere Richtung.
Nun, zumindest hatte es etwas Gutes gehabt, denn dadurch kannte sie dieses Versteck. Am liebsten wäre sie hinausgestürzt, um Kathlene zu helfen, aber sie musste sich im Hintergrund halten.
Mariko seufzte. Sie durfte Okâsan nicht enttäuschen. Denn das würde bedeuten, dass sie niemals eine Geisha werden würde, ganz egal, wie hart sie dafür arbeitete. Dabei konnte sie inzwischen die Laute perfekt spielen und dazu mit süßer, lieblicher Stimme singen. Also, Mariko durfte nicht vom rechten Pfad abkommen. Aber konnte sie nicht trotzdem ihrer Freundin auf irgendeine Weise helfen?
Trotz des Streits empfand sie noch genauso für Kathelene wie zuvor. Aber das Benehmen des blonden Mädchens hatte sich in den letzten Stunden geändert. Kathlene war besessen darauf, ihr Lager mit einem Mann zu teilen, den sie wollte. Mariko konnte diese unangenehme Einstellung ihrer Freundin einfach nicht begreifen, ihre Freundschaft stand auf dem Spiel.
Natürlich waren sexuelle Wünsche völlig normal, auch ihr wurde ganz heiß, wenn sie die Bilder in dem Kopfkissenbuch betrachtete, so heiß, dass sie ihre Beine zusammenpressen musste, um ihre Unterwäsche nicht zu beschmutzen. Aber solche Wünsche wurden nicht ausgelebt. Nein. Niemals.
Stattdessen ging es einzig und allein um die Erfüllung der Pflicht.
Aber warum versteckte sie sich dann hier und riskierte es, ertappt zu werden?
Mariko kannte die Antwort. Sie würde alles tun, um dem Mädchen zu helfen, und wenn es bedeutete, dass ihr eigenes Herz aufhören würde zu schlagen und so dunkel und kalt wurde wie der Mond ohne die Wärme der Sonne.
Wieder spähte sie durch das Guckloch, sah, wie der gut aussehende Samurai in dem Zimmer auf- und abging, eine Hand auf dem langen Schwert, während er mit der anderen seinen hoch geschätzten Jadestab rieb und seine Wut
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