Die Blume von Surinam
Vater gewesen? Sie beherrschte sich aber, keine abfällige Bemerkung fallen zu lassen. In diesem Moment betrat Inika mit einem Tablett voller Getränke den Salon.
»Danke, Inika.« Julie nutzte die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. »Erinnerst du dich noch an Inika?«
Martin sah das indische Mädchen an und lächelte. »Ja, natürlich.«
Auf Inikas goldbrauner Haut zeigte sich eine leichte Röte. Mit einer federleichten Bewegung stellte sie das Tablett ab, nickte und verließ den Raum.
Karini wartete auf der hinteren Veranda auf Masra Henry. Dass Masra Martin da war, war eine wichtige Nachricht, die sie Masra Henry gerne selbst mitteilen wollte. Er würde sich bestimmt freuen.
Bei aller Aufregung konnte sie die Wut auf Inika aber nicht verdrängen. Vorhin hatte es dieses Mädchen doch wieder geschafft, sich vorzudrängen! Karini war zur Küche gegangen, um Getränke herzurichten. Dabei klopfte ihr das Herz noch bis zum Hals. Sie war von Masra Martins Besuch überrascht worden und bei seinem Anblick ganz durcheinandergeraten.
Als sie dann aus Versehen beim Eingießen der Gläser etwas Saft aus der Karaffe verschüttete, hatte Liv sie böse angesehen. »Was ist denn los mit dir, Karini? Lass Inika das Tablett hineinbringen, du verschüttest ja noch alles.«
Und bevor Karini etwas erwidern konnte, hatte Liv Inika das Tablett in die Hände gedrückt und sie losgeschickt. Karini hatte nicht gewagt zu widersprechen, es wäre ja auch sinnlos gewesen. Ihre Wut auf Inika aber wuchs. Insbesondere, als das indische Mädchen wieder aus dem Haus kam, mit einem seltsamen Lächeln auf dem Gesicht. Und das war kein gutes Zeichen, Inika lächelte äußerst selten. »Er ist sehr nett, der Masra Martin«, hatte sie zu Karini gesagt.
Karini blickte ihr hinterher und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte ja recht.
Aus der Ferne sah Karini endlich zwei Reiter auf die Plantage zukommen. Sie sprang auf und rannte Masra Jean und Masra Henry entgegen, die schließlich am Stall von den Pferden stiegen. Da bemerkte sie, dass Inika vom Arbeiterdorf her ebenfalls auf die beiden zulief. Masra Henry winkte Inika zu, und Karini beobachtete mit zunehmendem Groll, wie das indische Mädchen zu ihm eilte und mit ihm sprach. Karini blieb stehen. An dem Aufleuchten seines Gesichtes konnte sie erahnen, was Inika ihm gerade mitgeteilt hatte. Wutschnaubend drehte sie sich um und stapfte zurück zum Plantagenhaus. Jetzt reichte es! Was bildete dieses Mädchen sich ein!
Am Abend fing Masra Henry Karini ab, als diese sich vom Plantagenhaus auf den Weg ins Arbeiterdorf machen wollte.
»Karini, kommst du mit Martin und mir zum Fluss? Er hat einiges zu erzählen.«
Karini verspürte sofort große Lust, ihm zu folgen. Aber wieso kam er mit der Frage erst jetzt, schließlich hatte er schon den ganzen Abend Zeit gehabt. Und warum hatte Masra Martin sich noch nicht nach ihr erkundigt? Fragte Masra Henry am Ende nur aus Pflichtgefühl? Sie zuckte die Achseln. »Nehmt doch Inika mit, sie hört euch bestimmt gerne zu.« Sie hörte selbst, dass ihre Stimme schnippisch klang.
Masra Henry sah sie verblüfft an. »Was hat das mit Inika zu tun?«
Karini fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. »Na, ich mein ja nur …«
»Was?«
»Schon gut …« Karini war klar, dass sie sich gerade ziemlich albern benahm, der kleine Seitenhieb auf Inika war ihr herausgerutscht. So wie Masra Henry sie jetzt ansah, war vollkommenklar, dass sowohl Masra Martin als auch er selbst sie am Fluss dabeihaben wollten. Und sie wollte doch nichts lieber, warum sollte sie diese Chance verstreichen lassen? Zumal Masra Henry Inika ja offensichtlich nicht gefragt hatte.
Wenig später saßen alle drei unter dem großen Mangobaum. Masra Martin hatte zuvor drei reife Früchte gepflückt, und nun rollte jeder eine mit der Hand auf dem Oberschenkel, um das Fruchtfleisch zu zerdrücken.
»Wie in alten Zeiten«, bemerkte Masra Martin, seine Stimme aber klang bedrückt.
»Ja, wie früher. Und nun erzähl, wie geht es dir auf Watervreede?« Masra Henry biss ein Loch in die Schale der Mango, legte den Kopf in den Nacken und ließ sich den süßen Saft in den Mund tropfen.
»Ach, ganz gut so weit.«
Karini wunderte sich, dass Masra Martin der Frage auswich. Er war doch sonst nicht so kurz angebunden.
»Was heißt ganz gut? Nun sag schon, wie kommst du zum Beispiel mit deinem Vater aus?« Masra Henry sah Masra Martin aus den Augenwinkeln an, immer noch den Kopf in den Nacken
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