Die Blume von Surinam
gelegt.
Karini bemerkte, dass Masra Martin kurz zögerte. »Na ja … eigentlich ganz gut. Er hat mir schon viel beigebracht über die Plantagenwirtschaft.«
»Als ob du das hier nicht auch lernen könntest«, sagte Karini leise.
»Natürlich könnte ich das. Aber … auf Watervreede ist es doch ein bisschen anders als auf Rozenburg. Jean und mein Vater … ich denke, die beiden haben eine sehr unterschiedliche Auffassung darüber, wie man eine Plantage führt.«
»Wie meinst du das?« Masra Henry warf die leere Schale der Mango fort und blickte Masra Martin fragend an.
Der richtete sich jetzt auf. »Hier auf Rozenburg ist alles etwas … wie soll ich sagen, familiärer. Mein Vater geht auf Watervreede sehr streng mit den Arbeitern um. Allerdings schaffen die so auch ein beachtliches Pensum.«
»Willst du damit sagen, dass Jean falsch mit unseren Arbeitern umgeht?«
»Nein, aber … anders eben.«
»Hat er etwa wieder die Peitsche hervorgeholt?« Masra Henry lachte, verstummte aber, als er Masra Martins ernstes Gesicht sah.
»Martin, du kennst die Gesetze der Kolonie«, sagte er nun ernst. »Wenn dein Vater … er war lange fort. Trotzdem darf man die Arbeiter heute nicht mehr so behandeln wie einst die Sklaven.«
»Ich weiß.« Masra Martin starrte auf den Fluss.
Kapitel 12
I nika fand die beiden jungen Masras sehr nett. Ihr blieb nicht verborgen, dass beide sie mit einem freundlichen Blick bedachten, sie immer sehr höflich behandelten und ihr kleine Komplimente machten. Inika war zu Beginn irritiert gewesen und hatte nicht gewusst, wie sie damit umgehen sollte. Abgesehen von Bogo hatte sie noch nie ein Mann so angesehen, oder ihr gar nette Worte gesagt. Und außerdem … wer wusste schon, ob sie damit nicht etwas bezweckten? Oder ob die Freundlichkeit nicht eine Fassade war? Inika hatte lange in sich hineingehorcht und überrascht festgestellt, dass die weißen Masras ihr nicht so viel Angst einjagten wie die anderen erwachsenen Männer aus dem Arbeiterdorf. Im Gegenteil, insbesondere die Aufmerksamkeit von Masra Henry schmeichelte ihr sogar.
Abends, wenn Inika in ihrer Hängematte lag, und Bogo, erschöpft von der Feldarbeit, eingeschlafen war, dann schweiften ihre Gedanken ab. Inika wusste sehr wohl, dass sie inzwischen Liv, Kiri und vor allem Karini ein Dorn im Auge war. Das Haus war an Frauen gänzlich überbesetzt, und trotzdem hatte die Misi entschieden, dass Inika leichte Tätigkeiten verrichten sollte, um sich abzulenken. Die schweren Arbeiten mussten die anderen Frauen ausführen. Inika wusste allerdings nicht, wie lange dieser Umstand noch anhalten und die Misi sie noch in Schutz nehmen würde. Liv hatte bereits einige Male geäußert, dass man doch für Inika beizeiten eine andere Lösung finden müsse. Inika vermutete, dass die ältere Haushälterin Angst um ihre Stellung hatte. Ebenso schien sich Karini über den Umstand zu ärgern, dassInika von den jungen Masras so wohlwollend bedacht wurde. Das schwarze Mädchen war schlicht eifersüchtig. Inika konnte das sogar verstehen, Karini war immerhin mit Masra Henry und Masra Martin hier aufgewachsen. Aber zum einen waren sie keine Kinder mehr und zum anderen … Karini konnte ja schlecht mit beiden anbändeln.
Wie es wohl wäre, wenn sie einen jungen weißen Mann an ihrer Seite hätte? Dann würde sie niemand mehr niedere Hausarbeiten verrichten lassen, sie könnte aus dieser unseligen Hängematte heraus in ein weiches Bett wechseln, und man würde sie mit Ehrfurcht behandeln und sie nicht dauernd herumschicken. Die beiden Masras hatten doch gute Zukunftsaussichten! Masra Henry würde Rozenburg erben, Masra Martin auf Watervreede vermutlich einen guten Posten innehaben. So gesehen kämen also beide infrage.
Inika sah in den jungen Männern eine echte Chance. Würde sich einer der beiden ihr zuwenden, könnte sie ein sorgenfreies Leben führen. Aber es gab ein Problem: Bogo. Inika war zwar fest davon überzeugt, dass die kleine Zeremonie, die sie am Feuer abgehalten hatten, in keiner Weise Bestand hatte, doch sie hatten die Trauung nun einmal offiziell verkündet. Das konnte sie nicht rückgängig machen. Bogo hatte sich immer gut um sie gekümmert und ihr in den dunkelsten Stunden ihres Lebens auch treu zur Seite gestanden. Aber er war eben nur ein Freund, nicht ihr Mann. Ob sie überhaupt einmal einen Mann lieben könnte?
Sie hatte sich in dieser Hinsicht eine ganz pragmatische Art zu denken angeeignet. Männer hatten sie bisher
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