Die Blume von Surinam
nicht richtig, wie ihr geschah, aber jedes Mal, wenn sie auf Inika traf, überkam sie Wut. Warum war dieses Mädchen nicht in die Stadt zurückgekehrt? Sie gehörte nicht auf die Plantage, für harte Arbeit war sie zu zart, und im Haushalt gab es eigentlich genug Personal. Jeder behandelte dieses Mädchen mit Samthandschuhen! Sicherlich, sie hatte Schlimmes erlebt, aber sie ließ sich nichts anmerken und hatte auch mehrmals betont, dass es ihr nichts ausmache, wieder zu arbeiten. Aber anstatt sich nützlich zu machen, verdrehte sie mit ihrem leisen, glockenhellen Lachen und ihren sanften, schwebenden Bewegungen Masra Henry den Kopf. Karini hatte die beiden mehrmals zusammen am Fluss gesehen, unter dem Mangobaum, auf ihrem Platz, wo sie sich abends gerne mit Masra Henry traf. Warum tat dieses Mädchen das? Sie war schließlich mit diesem stummen Inder verheiratet. Und warum ließ Masra Henry es geschehen?
Ja, sie war eifersüchtig. Aber gegenüber Inika fühlte sie sich trampelig und tollpatschig. Und dass sich jedermanns Aufmerksamkeit sofort auf das Mädchen mit der goldfarbenen Haut undden langen glatten schwarzen Haaren richtete, wo immer sie auch auftauchte, ärgerte Karini maßlos.
»Sie hat Schlimmes erlebt, lass sie«, hatte ihre Mutter sie angeherrscht, als Karini sich einmal über Inikas Verhalten empört hatte. Aber genau das konnte sie nicht, sie konnte sie nicht einfach ignorieren.
Der Groll über Inika und Masra Henry ließ Karini immer öfter an Masra Martin denken. Als sie eines Abends Ende Mai eine der seltenen Stunden allein mit Masra Henry am Fluss verbrachte, sprachen sie über die alten Zeiten, als sie noch alle gemeinsam auf Rozenburg gelebt hatten. Masra Henry schien Masra Martin zu vermissen, zum wiederholten Male überlegte er, wie es ihm wohl erging.
»Ach, auf Watervreede gibt es für ihn sicher eine Menge zu tun, und ich denke, er genießt die Zeit mit seinem Vater.« Die Bemerkung sollte beiläufig klingen, aber Karini musste sich insgeheim eingestehen, dass sie Masra Martin vermisste. Sehr sogar.
Karini hatte von Anfang an nicht verstehen können, warum die Misi sie von Watervreede zurück nach Rozenburg beordert hatte. Hier wurde sie doch überhaupt nicht gebraucht, ganz im Gegensatz zu Watervreede. Sie hatte sich nach ihrer Rückkehr bitterlich bei ihrer Mutter über Misi Juliette beschwert. Aber auch bei diesem Thema war Kiri mit Misi Juliette einer Meinung.
»Du gehörst hier nach Rozenburg. Und wenn Misi Gesine ein Dienstmädchen haben will, muss sie eines anstellen.«
»Ich hätte beizeiten sicherlich auch Lohn erhalten«, hatte Karini geantwortet und dann trotzig hinzugefügt: »Masra Martin wollte auch, dass ich bleibe.«
»Masra Martin … Du gehörst nicht dorthin, Kind«, hatte ihre Mutter geschnaubt und sichtlich wütend die Hütte verlassen. Karini hatte das Thema fortan nicht wieder angesprochen. In ihrem Inneren aber war es allgegenwärtig.
Kapitel 10
G esine, meine Liebe, ist Ihr Mann noch gar nicht im Haus?« Pieter betrat den Salon und bemühte sich um einen bestürzten Gesichtsausdruck. Natürlich wusste er, wo sich Wim Vandenberg herumtrieb, eben noch hatte er ihn mit Erika Bergmann zu einem Spaziergang aufbrechen sehen.
Erika Bergmann kam häufig zu Besuch nach Watervreede. Sie reiste zwar alle paar Wochen in die Stadt, um sich um die unsäglichen schwarzen Hurenkinder zu kümmern, aber meistens tauchte sie schon bald wieder auf der Plantage auf. Zur Freude von Vandenberg, der dann immer viel Zeit mit ihr verbrachte.
Gesine Vandenberg hingegen wurde immer ungehaltener. Ihr Leben war ausschließlich von Langeweile geprägt und ihr missfiel das Leben auf der Plantage grundlegend. Dass ihr Mann seine Zeit dazu lieber ohne sie verbrachte, verschlechterte ihre Laune zusätzlich. Es war bereits mehrmals zu lautstarken Streitereien zwischen Vandenberg und seiner Frau gekommen.
Pieter betrachtete diese Entwicklung mit Wohlwollen. Wenn die beiden ernsthaft in Streit gerieten – umso besser für ihn. Früher oder später würde er den Cousin von Juliette gerne loswerden, der Mann war schlau, und Pieter konnte nicht riskieren, dass er seine Pläne gefährdete. Pieter musste nur dafür sorgen, dass Gesine bei ihm selbst bleiben wollte, ihre finanziellen Möglichkeiten waren überaus verlockend. Und so hatte er begonnen, Gesine zu umschmeicheln. Sie war zwar als Frau für ihn nicht sonderlich ansprechend, aber sie war wütend auf ihren Mann und nahm seine Fürsorge
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