Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
Vom Netzwerk:
trat aus einer seitlichen Tür ein hochgewachsener, kräftiger Mann. Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen, dies war unverkennbar Misi Gesines Vater.
    »Kind! Was machst du denn hier? Warum hast du nicht geschrieben, dass du kommst? Ich freue mich so sehr … wie schön.« Er trat an seine Tochter heran und legte ihr kurz den Arm um die Schultern.
    Karini stand in der großzügigen Eingangshalle, die sie mehr an eine Kirche als an ein Wohnhaus erinnerte, und schaute verlegen auf ihre klobigen Holzschuhe.
    »Oh, hast du jemanden mitgebracht?« Jetzt hatte Misi Gesines Vater sie entdeckt.
    »Das ist Karini … ach Vater, ich habe so viel zu erzählen.«
    Misi Gesines Vater trat auf Karini zu. »Herzlich willkommen.«
    Karini schaute ihn nur verlegen an. Der Schreck fuhr ihr in die Glieder – wie sollte sie sich bloß verhalten? Sie entschied sich für einen Knicks. »Guten Tag, Masra«, sagte sie höflich.
    Er sah sie verblüfft an. Karini bemerkte aus den Augenwinkeln, dass der hagere weiße Mann in Livree leicht das Gesicht verzog. Lächelte er gar? Misi Gesines Vater antwortete nicht, sondern wandte sich wieder seiner Tochter zu.
    Misi Gesine versuchte, sich zu erklären. »Karini hat in der Kolonie für mich gearbeitet.«
    Ohne Karini weiter zu beachten oder sich gar vorzustellen, schritt Gesines Vater nun zu seiner Tochter und wies ihr einladend mit dem Arm den Weg »Dann komm, Kind. Wiebold, zeigen Sie dem Mädchen eine Kammer.«
    Der hagere Diener beäugte Karini kurz mit einem, wie sie fand, leicht pikierten Blick. »Komm mit«, sagte er barsch. Karini warf der Misi einen Blick zu, doch die war schon auf dem Weg hinter ihrem Vater her. Also folgte sie Wiebold durch einen schmalen zweiten Flur zu einer steilen Stiege. Karinis Schuhe machten einen polternden Lärm. Vier Treppen erklommen sie, bis sie in einen weiteren Flur gelangten, wo Wiebold Karini zu einer der hintersten Türen führte. »Hier. Ich werde dich holen, wenn Mevrouw Vandenberg es wünscht.«
    Karini bedankte sich artig und betrat die Kammer. Neugierig blickte sie sich um. Es gab einen Stuhl, einen kleinen Tisch und … ein Bett, ein richtiges Bett! Karini setzte sich zögerlich auf die Bettkante. Das Bett war weich. Sie musste lächeln. Das gefiel ihr.

Kapitel 10
    H enry saß an Deck und starrte in die Segel. Diese spannten sich nur mäßig im lauen Wind und trieben das Schiff seit einer Woche langsam gen Osten. Stunde um Stunde wünschte er sich, sie würden schneller vorankommen.
    Er war sofort, nachdem Erika ihm von den Geschehnissen in der Stadt berichtet hatte, nach Paramaribo gefahren. Am Hafen hatte er wochenlang nach dem Schiff Ausschau gehalten, und doch hatte ihm niemand sagen können, ob er mit dem Schiff überhaupt würde mitreisen können.
    »Das müssen Sie bei der Ankunft den Kapitän fragen«, erklärte ihm der Hafenmeister.
    Henry wartete ungeduldig Tag für Tag, dass dieses Schiff eintreffen würde. Als es dann eines Tagen wirklich den Fluss heraufkam und vor Paramaribo ankerte, war Henry eher an Bord als die ersten Matrosen an Land.
    Der Kapitän war ein rauschbärtiger alter Holländer, sein Gesicht war von Falten zerklüftet und die Haut von der salzigen Luft gegerbt. »Wir haben keine Kabinen mehr frei, junger Mann«, offenbarte er Henry knapp.
    Henry aber war fest entschlossen. Er würde Karini suchen und finden, doch dafür musste er nach Europa. Und zwar so schnell wie möglich. Also mit diesem Schiff. Er verhandelte und bot dem Kapitän Geld, schließlich sogar mehr Geld und letztendlich gar ein kleines Vermögen, bis dieser doch einlenkte und Henry eine Hängematte bei den Matrosen im Mannschaftsraum anbot. Henry war es egal, er hätte auch auf Deck geschlafen, wenn nötig.
    Nach den ersten zwei Tagen auf See war er auch versucht gewesen, dorthin umzuziehen. In dem engen Mannschaftsraum tief unten im Schiff war die Luft so schlecht, dass Henry kaum atmen konnte. Zudem schien irgendwo zwischen den Frachtsäcken, die im hinteren Bereich lagerten, ein Tier, vermutlich eine Ratte, verendet zu sein – es roch nach Verwesung. Die Matrosen schien dies nicht zu beirren. Schon bald war der Gestank auch wegen der Aborteimer und dem scharfen Alkohol nicht mehr so stark. Henry ging so oft wie möglich an Deck.
    Dort atmete er tief ein und starrte in die Weite des Horizonts. Aber er hatte keine Augen für die Schönheiten des Meeres. Er gesellte sich nicht zu den anderen Passagieren, wenn diese staunend die Delfine

Weitere Kostenlose Bücher