Die Blume von Surinam
töten. Pieter Brick wird unter anderem vorgeworfen, ihre Erkrankung mutwillig herbeigeführt zu haben. Dies wird bestärkt durch Aussage der Heilerin namens Aniga sowie durch die Beobachtung des ehemaligen Hausmädchens Karini, die auch als Verdächtige ausgeschlossen werden kann, da sie zur Tatzeit nicht mehr auf der Plantage Watervreede anwesend war.« Er ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten und fuhr dann mit ernster Stimme fort: »Wie gesagt: Es wird bestärkt, konnte aber nicht bewiesen werden. Damit bleiben folgende Personen unter Verdacht: Martin Brick gab an, zur Tatzeit in seinem Bett gewesen zu sein, dafür gibt es keine Zeugen. Jean und Juliette Riard waren ebenfalls auf ihrem Zimmer und bezeugen dies gegenseitig. Die Kontraktarbeiterin Inika befand sich mit ihrem Mann und ihrer Mutter ebenfalls in einem Raum. Henry Leevken«, der Richter nickte in Henrys Richtung, »dessen Befragung ich vor zwei Tagen selbst durchführen konnte, war zur Tatzeit nicht anwesend.« Er hielt kurz inne, und Julie meinte, vor Spannung platzen zu müssen. »Mijnheer Leevken«, nochmals fixierte der Richter Henry mit seinem Blick, »ich bedaure noch einmal die Unannehmlichkeiten, die wir Ihnen mit Ihrer Verhaftung bereitet haben.«
Julie verstand nicht, was der Richter damit sagen wollte. Wurde Henry jetzt doch nicht mehr beschuldigt?
Der Richter blätterte in einem Stapel Papier, der vor ihm lag. Dann stützte er sich auf die Ellenbogen und räusperte sich erneut. Die Stimmung war angespannt, niemand im Saal bewegte sich.
»Durch die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse bleibt letztendlich nur eine Verdächtige – die auch ein Motiv hatte.«
Julie hatte das Gefühl, kurz vor einer Ohnmacht zu stehen,und zwang sich zur Ruhe. Sie warf einen Blick zu ihrem Sohn, der nun zusammengesackt auf seinem Stuhl saß und auf seine Knie starrte.
»Juliette Riard.«
Julie traute ihren Ohren nicht. Als sie jetzt ihren Namen hörte, blieb ihr fast das Herz stehen. Sie spürte den Blick des Richters und aller anderen auf sich und schrumpfte auf ihrem Stuhl zusammen.
»Ich? Aber …«
»Sch, sch … sag erst einmal nichts«, hörte sie Jean von der Seite flüstern. Sie blickte ihn an, tiefe Sorgenfalten hatten sich auf seiner Stirn gebildet.
»Mevrouw Riard. Punkt eins: Wir sind bei unseren Nachforschungen bezüglich des tragischen Ablebens Ihres ersten Mannes auf gewisse Ungereimtheiten gestoßen. Insbesondere, was die Erbfolge auf der Plantage betrifft. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Sohn Henry nicht das leibliche Kind Ihres verstorbenen Ehemannes Karl Leevken, sondern der Sohn Ihres jetzigen Mannes ist?«
Julie senkte beschämt den Blick, der Richter schien dies als stumme Zustimmung zu werten.
»Zunächst ist davon auszugehen, dass Pieter Brick, als Ihr Schwiegersohn und damals noch praktizierender Arzt, dies gewusst hat und dass es sich nachfolgend bei dem Unglück, das Ihrem Mann zugestoßen war, womöglich nicht um einen Unfall gehandelt hat und …«
Julie wusste nicht, wie ihr geschah. Sie hatte diese Geheimnisse so lange gehütet und gehofft, dass sie sie niemals heimsuchen würden. Es wussten nur äußerst wenige Menschen davon, wie also hatte der Richter davon erfahren können? Ihr Blick wanderte zu Henry, der den Kopf hängen ließ. Nein, ihr Sohn hatte nicht verraten, was er wusste, ebenso wenig wie ihr Mann, da war sie sich sicher. Blieb noch Pieter, aber er war tot. Es sei denn, er hatteMartin gegenüber irgendwann eine Bemerkung fallen lassen. Sie wandte den Kopf ruckartig in dessen Richtung, Martin aber saß mit versteinerter Miene neben Inika und wich ihrem Blick aus. Martin also. In Julies Kopf kreisten die Gedanken wild durcheinander.
»Wir erwarten ein Kind«, hatte er Julie mit Inika an der Hand kurz und knapp vor wenigen Wochen mitgeteilt. Seitdem hatte er sich im Stadthaus nicht mehr sehen lassen. Julie war das Gefühl nicht losgeworden, dass Martin irgendetwas sehr belastete, und das war sicherlich nicht der Tod seines Vaters gewesen. War es die Tatsache, dass sie jetzt unter Verdacht gestellt wurde? Das würde zumindest seine Zurückhaltung in den letzten Wochen erklären. Aber der Richter war noch nicht fertig.
»Aber Letzteres soll nicht Gegenstand dieser Verhandlung sein – es geht darum, den Mörder von Pieter Brick auszumachen. Stimmt es, Mevrouw Riard«, fuhr der Richter fort, »dass der Vater Ihres Sohnes Henry nicht Karl Leevken, sondern Ihr jetziger Mann, Jean
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