Die Blume von Surinam
allein zurechtkommen müssen, das Wohl des Schiffes stand über dem von Gesine. Wenn es seiner Hilfe bedurfte, damit es diese sturmgepeitschte Nacht überstand, würde er sie anbieten.
Wim folgte Thijs den Gang entlang durch die Messe, wo allerhand Dinge herumlagen, die aus den Regalen des Kochbereichs gefallen waren. Keiner der anderen Passagiere machte Anstalten, ihnen zu folgen. Es war nicht einfach, die Stiege zu erklimmen, da das Schiff sich stetig hob und senkte. Immer wieder drohten ihre Füße von den Stufen zu rutschen. Eine gefühlte Ewigkeit später sah Wim Thijs mit der Tür zum Deck kämpfen. Thijs lehnte sich mit seinem ganzen Körpergewicht, so gut es eben ging, dagegen, doch der Sturm drückte von außen. Kaum war sie einen Spalt geöffnet, spritzte eiskaltes Wasser herein.
»Halt dich gut fest! Da draußen ist die Hölle los«, schrie Thijs, bevor er die Tür mit aller Macht aufdrückte.
Sofort schlug ihnen salziges Wasser ins Gesicht, der Wind pfiffheulend um ihre Ohren. Wim versuchte, dicht hinter Thijs zu bleiben. Sie hangelten sich um den Aufbau im vorderen Bereich des Decks herum, Regen und Gischt durchnässten sie binnen kürzester Zeit.
Wim erkannte zahlreiche Matrosen, die mit der Takelage des Fockmastes kämpften. Am vorderen Mast baumelten unzählige Taue herab, an deren Enden zerborstene Holzstücke hingen – Teile der Fockrahe, des Quergestänges, das eigentlich die dazugehörigen Segel hielt.
»Hier … hier«, brüllte ihnen ein Matrose zu, der an einem der Taue hing und es kaum zu halten vermochte. Thijs und Wim eilten zu ihm, hängten sich ebenfalls an das Tau und hielten mit allen Kräften gegen den Sturm.
»Das Segel … kappen … dann loslassen!«, brüllte der Matrose.
Wim sah durch das aufgepeitschte Wasser, das über Deck getrieben wurde, nach oben. Es war dunkel, aber er konnte einige gespenstische Gestalten in der Höhe erkennen. Tatsächlich hangelten sich im Gestänge des Fockmastes einige Männer in Richtung des wild umhertanzenden Untersegels und hieben schließlich auf die Taue ein. Plötzlich durchschnitt ein zischender Laut das Getöse, es regnete Takelage und der Matrose brüllte: »Jetzt!«
Sie ließen sofort los und Wim sah, wie das gerissene Segel von dem Sturm von Bord geweht wurde. Der Matrose klammerte sich erschöpft an die Reling.
»Sie … wieder unter Deck … zu gefährlich … !« Er zeigte abwechselnd auf Wim, Thijs und den Fockmast. Wim spürte, dass seine Kräfte schwanden. Thijs schien es ähnlich zu gehen, er war blass und seine Gesichtszüge wirkten angespannt. Wim nickte ihm auffordernd zu und sie zogen sich an den Aufbauten entlang zur Einstiegsluke. Sie fielen die Stiege mehr hinunter, als dass sie gingen, und blieben im Gang zu den Kabinen erschöpft gegen die Wand gelehnt stehen.
»Ob das Schiff einen schweren Schaden hat?« Wim war völlig außer Atem.
»Ich denke nicht«, keuchte Thijs, »die anderen Segel schienen noch funktionstüchtig.« Dann lachte er plötzlich laut auf und klopfte Wim anerkennend auf die Schulter, wobei er fast das Gleichgewicht verlor. »Abenteuer … sag ich doch! Da hast du es, Wim …«
Wim fühlte sich mit einem Mal stolz – ein Gefühl, das er lange nicht hatte erleben dürfen. Ja, dies war das erste richtige Abenteuer in seinem Leben. Und aller Gefahr und Erschöpfung zum Trotz fühlte er sich gut. Als er tropfnass durch seine Kabinentür wankte, stieß er fast mit einem Mann zusammen.
»Langsam, langsam.« Er fing Wim ab.
»Wer sind Sie? Was machen Sie in unserer Kabine?« Wim war völlig überrumpelt.
»Setzen Sie sich erst einmal. Sie sind ja vollkommen durchnässt. Waren Sie an Deck?« Der Mann stellte einen der Stühle auf und schob ihn Wim hin.
»Ein Segel … man musste es …«, stammelte Wim. Er war verwirrt, den fremden Mann in seiner Kabine zu wissen.
»Stehen die Masten noch?«, fragte der Mann. Die Sorge stand ihm im Gesicht geschrieben.
Wim nickte.
»Dann überstehen wir den Sturm, keine Sorge.« Der Mann wandte sich Gesine zu, während er sich erklärte. »Mijnheer, ich war so frei, Ihrer liebreizenden Gattin zu helfen, sie war auf dem Flur gestürzt.«
»Gesine, ich hatte doch gesagt, du sollst nicht …« Wim war eher irritiert denn besorgt. Auf den ersten Blick sah sie recht munter aus, und jammern konnte sie auch bereits wieder.
»Ihr ist nichts passiert, sie hat nur eine kleine Beule am Kopf. Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin Arzt.«
Wim unterdrückte
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