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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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Karini hatte Mühe, die Handschrift zu entziffern.
    Mein lieber Sohn,
    es freut mich, Dir mitteilen zu können, dass ich im Februar in die Kolonie zurückkehren werde. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.
    Hochachtungsvoll, Dein Vater
    Karini traute ihren Augen nicht. Masra Martins Vater kam in die Kolonie! Nachdenklich ließ sie den Brief sinken. Masra Martin musste der glücklichste Mensch der Welt sein, warum hatte er das niemandem erzählt? Nicht einmal Masra Henry und ihr? Misi Juliette allerdings würde nicht begeistert sein, da war Karini sich sicher, zu oft hatten sie und Masra Martin schon über seinen Vater gestritten.
    In Karini regte sich ein schlechtes Gewissen. Als sie das letzte Mal ein Geheimnis für sich behalten hatte, war es in einer Katastrophe geendet. Sollte sie jetzt jemandem davon berichten? Wem? Ihrer Mutter? Die hatte auch nie ein gutes Wort über Masra Martins Vater verloren. Im Gegenteil, sie verbat Karini jedes Mal das Wort, wenn das Gespräch auf ihn kam, und Karini kannte sie gut genug, um zu wissen, dass dieser Mann ihre Mutter offensichtlich sehr aufregte.
    Karini steckte den Brief schnell wieder zurück in das Versteck und eilte sich, das Laken auf das Bett zu ziehen. Sie würde erst einmal so tun, als hätte sie diesen Brief nie gefunden. Das war vermutlich das Beste.

Kapitel 6
    D ie Maria Dora hatte den Sturm überstanden. Wim war unter dem Vorwand, sich über den Zustand des Schiffes erkundigen zu wollen, an Deck gegangen. Insgeheim ertrug er aber Gesines Gejammer nicht mehr. Um die kleine Beule, die man kaum sah, machte sie einen riesigen Wirbel, und zudem behauptete sie auch noch steif und fest, sich den Fuß vertreten zu haben und nicht aufstehen zu können. Wim hatte ihr also noch gehorsam das Frühstück in die Kabine gebracht, sich dann aber geeilt, an die frische Luft zu kommen.
    Die Schäden an Deck sahen nicht bedrohlich aus, und die Matrosen versicherten, dass das verlorene Segel die Weiterfahrt nicht beeinträchtigen würde.
    Das Meer war wieder ruhig, das Wetter warm und freundlich, das Schiff schob sich durch sanfte Wellen und wurde an den Seiten von Delfinen flankiert.
    »Man glaubt kaum, dass es uns gestern noch so durchgeschüttelt hat.« Thijs war ebenfalls an Deck. Er saß in einem der Holzstühle, welche die Matrosen bereits wieder aufgestellt hatten, die Beine lässig überkreuzt.
    »Ja, es war eine unruhige Nacht, das muss ich schon sagen.« Wim rückte sich ebenfalls einen Stuhl zurecht und nahm Platz. Die Sonne schien, und es war angenehm warm im Schutz der Deckaufbauten.
    Thijs richtete den Blick auf den Horizont. »Wenn wir jetzt gut weiterkommen, sind wir in fünf Tagen da.«
    »Hast du deine Heimat nie vermisst?« Wim war neugierig, erhatte viel über dieses Thema nachgedacht. »Ich meine, wenn man als Kind schon so früh das Elternhaus verlässt.«
    »Doch natürlich, es fiel mir ungemein schwer. Ich habe damals nicht verstanden, warum meine Eltern mich nach Europa schickten. Surinam und die Plantage Watervreede erschienen mir damals wie das Paradies. Noch mehr, als ich dann in den Niederlanden angekommen war.« Er lachte leise auf. »Es war so fürchterlich kalt in diesem Land. Und damit meine ich nicht nur das Wetter …« Als würde ihn die Erinnerung immer noch schmerzen, schwieg er einen Moment. Dann stellte er die Füße auf den Boden, beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Den Blick in die Ferne gerichtet, fuhr er fort. »Das Schlimmste war nicht, dass ich meine Eltern verlassen musste, sondern meine Amme Hestia.«
    »Du hattest eine Amme … und die hieß Hestia, wie die Göttin?« Wim war es fast unangenehm, danach zu fragen, aber es kam ihm doch recht seltsam vor.
    »Ja, genau. Hestia – wie die griechische Göttin für Herd und Heim.« Wieder lachte Thijs. »In Surinam hatte damals jede Familie eine Amme, die sich um die Kinder kümmerte. Die Damen, so auch meine Mutter, hätten nie selbst … Na ja, auf jeden Fall war Hestia wie eine Mutter für mich. Meine Mutter selbst …« Er brach ab.
    Wim staunte. Die Gepflogenheiten schienen ihm ungewohnt, ebenso wie der Name der Amme. »Darf ich fragen, warum deine Amme einen griechischen Namen trug? Ich meine, hatten die Sklaven nicht Namen, die, wie soll ich sagen, eher ihrer Art entsprachen?«
    Thijs setzte sich aufrecht hin und verschränkte die Arme lässig vor der Brust. »Du weißt wirklich nicht viel über die Kolonie, oder? Die Sklaven trugen nach ihrer Geburt

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