Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
Vom Netzwerk:
viel darüber geredet, insbesondere natürlich über die Niederlande. Dort gabes Schutzwälle gegen das Meer, es gab neben Regen noch Schnee, der, so hatte der Lehrer gesagt, aussah wie die Samen vom Seidenwollbaum und am Boden eine weiche Matte bildete, in der die Kinder gerne spielten, und außerdem gab es einen König und eine Königin. Für Karini hatte das schon immer wie ein geheimnisvolles Märchenland geklungen.
    Bereits als Kind hatte sie der Misi gespannt zugehört, wenn diese den Jungen von den Niederlanden erzählte. Wenn sie dann aber ihrer Mutter davon berichtete, hatte diese sie eher getadelt: »Europa ist das Land der blanken . Du solltest dich mehr für die Heimat unserer Vorfahren interessieren.« Dabei kannte Karini die alten Geschichten aus dem Land der Schwarzen längst, die aber fand sie nicht besonders aufregend. Außer Stammeskriegen, Lehmhütten, großen Ziegenherden und sehr viel Wildnis hatte es dort ihrer Meinung nach nicht viel gegeben. Gerade die inzwischen greisen Salzwassersklaven, die letzten, die mit den Sklaventransporten vom Schwarzen Kontinent gekommen waren, berichteten wahrlich Grausiges aus diesem Land. Nein, da waren Karini die Geschichten aus den Niederlanden lieber. Zumal, und für die Bemerkung hatte Karini sich als kleines Mädchen von ihrer Mutter eine Ohrfeige eingefangen, Kiri ja nicht einmal selbst schwarz war. Ihre Hautfarbe war deutlich die einer Mulattin, ebenso wie die von Karinis Vater. Als Kind hatte Karini immer geglaubt, dass ihre Großmutter eine Frau aus dem Maroondorf gewesen sei. Gestorben sei sie früh, hatte man ihr erzählt. Aber dann war Karini stutzig geworden: Ihr Großvater war ein hochgewachsener, breitschultriger Schwarzer, und ihr Vater war ein Mulatte – im Maroondorf aber gab es ganz sicher keine weißen Frauen. Und irgendwie war das alles auch seltsam: Jeder war gerne mit ihrem Großvater zusammen, aber niemand redete über ihn. Immer, wenn das Gespräch auf ihn kam, wurde schnell das Thema gewechselt, kaum eine von Karinis Fragen war je beantwortet worden. Und schongar keine zu ihrer Großmutter. Ihr Vater hatte sicherlich seine Gründe, warum er nie von seiner Mutter sprach. Aber nach der Ohrfeige hatte Karini auch nicht mehr gewagt, danach zu fragen.
    Als sie nun die Laken in die obere Etage trug, blieb ihr Blick, wie so oft schon, an den Ölgemälden an der Wand hängen. Dort gab es Abbildungen von der niederländischen Landschaft: satte grüne Wiesen mit vielen Pferden, Bäume, die Früchte trugen, die sie nicht kannte, und große, runde Häuser mit seltsamen langen Brettern am Giebel.
    »Windmühlen«, hatte Masra Henry ihr einmal vor Jahren erklärt.
    Sie erinnerte sich gut an die Situation, sie war der festen Überzeugung gewesen, dass Masra Henry einen Scherz mit ihr treiben wollte: Wind musste man ja schließlich nicht zermahlen! Aber Masra Henry hatte nur gelacht, und Karini war sehr wütend auf ihn geworden. Er war schließlich auch noch nie in den Niederlanden gewesen. Doch schon damals hatte sich in Karini der Wunsch geregt, eines Tages dieses wundersame Land, in dem anscheinend alles so viel besser war als in Surinam, zu sehen.
    Seufzend brachte sie die Laken in die Zimmer. Wenn die Masras nach Hause kamen, wollte sie fertig sein. Sie hasste es, in ihrer Gegenwart Hausarbeit verrichten zu müssen. Zudem trieb die Sehnsucht, Julius ausfindig zu machen, sie eher aus dem Haus und durch die Stadt. Hier Laken aufschütteln zu müssen passte ihr gar nicht. Aber es war ihre Aufgabe, und so nahm sie sich vor, diese zügig zu verrichten.
    Sie beschloss, in Masra Martins Schlafraum anzufangen. Lustlos zog sie das alte Laken ab. Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Sie hielt inne, dann schüttelte sie das Tuch durch. Nichts. Das Geräusch musste also irgendwo vom Bett gekommen sein. Neugierig ließ sie das Laken auf den Boden fallen und ging einmal um das Bett herum. Gerade als sie dachte, sie hätte sich verhört, sahsie zwischen dem Bettrahmen und der Matratze ein Stück Papier hervorschauen. Gespannt zog sie es heraus und hielt schließlich einen gefalteten Brief in den Händen. Ein Brief in Masra Martins Bett? Das konnte nur bedeuten, dass er ihn verstecken wollte. Aber wer sollte Masra Martin schon einen Brief schreiben? Karini zögerte einen Moment und lauschte angestrengt, aber aus dem Haus war kein Laut zu hören. Neugierig faltete sie das Papier auseinander und begann zu lesen. Der Text war in Niederländisch geschrieben und

Weitere Kostenlose Bücher