Die Bluterbin (German Edition)
hin zu Shanghai aufgebaut hatte, konnte er es sich nunmehr leisten, seine Güter auf die beschwerliche Reise nach China zu schicken und nur noch an Großhändler zu verkaufen.
Einer dieser Großhändler war Jean Machaut, der sich auf edles und ausgefallenes Tuch wie Seide, Brokat, Damast, Baldachin und Scharlach spezialisiert hatte, mit dem er wiederum kleinere Händler belieferte, die ihrerseits die Stoffe anschließend an reiche Bürger und Adlige weiterverkauften.
Bereits bei seinem ersten geschäftlichen Besuch hatte Jacques beschlossen, Jean Machauts Tochter Katharina zu heiraten.
Ihre kühle Schönheit gefiel ihm, und er konnte sie sich gut als Mutter seiner zukünftigen Söhne vorstellen. Sein Vater war vor einiger Zeit verstorben, und sein ältester Bruder hatte seinen Platz als Graf und Burgherr eingenommen. Durch sein Vermögen war Jacques unabhängig, und seine Mutter versuchte erst gar nicht, ihn zu einer standesgemäßen Heirat zu zwingen, nachdem er ihr mehr als deutlich klargemacht hatte, dass er lieber wieder auf Reisen gehen würde, als sich dieser Forderung zu beugen.
Und so hatte er sich ein großes Steinhaus am Rande der Stadt bauen lassen, von dem aus er auch seine Geschäfte tätigte, und beschlossen, dass es nun an der Zeit wäre, seine eigene kleine Familie zu gründen, und den ersehnten Erben zu zeugen.
Zwar war es durchaus möglich, dass er früher oder später durch seinen Beruf als Kaufmann seine Privilegien als Adliger verlieren würde, doch das nahm er billigend in Kauf.
Auf seinen Reisen hatte er viel gelernt, und er betrachtete es als Glück, in einer Zeit zu leben, in der alles möglich war. Unfreie und Leibeigene konnten mittlerweile ihre Freiheit und sogar das Bürgerrecht erlangen, indem sie in die Städte zogen. Mit etwas Glück konnten sie es dort darüber hinaus zu so viel Reichtum bringen, dass manch ein Adliger, der hochnäsig in seiner Burg saß und sich weigerte, die vielen Veränderungen, die in seinem Land vor sich gingen, wahrzunehmen, blass vor Neid wurde.
Menschen wie Jean Machaut gehörte sein ganzer Respekt und seine Bewunderung, denn sie hatten es aus eigener Kraft heraus geschafft, Besitz zu erlangen, und waren für viele ihrer Zeitgenossen, die sich bis dahin ergeben in ihr Schicksal gefügt hatten, zu Hoffnungsträgern geworden.
Die Reisen, die Jacques unternommen hatte, hatten seinen Horizont erweitert und ihm neue, aber auch gefährliche Denkanstöße geliefert, die, hätte die Kirche Kenntnis von ihnen erhalten, mit Sicherheit von ihr als ketzerisch verdammt worden wären. Schade war nur, dass er in den Ländern, die er bereist hatte, nur selten auf jemanden gestoßen war, mit dem er sich hatte austauschen können, auf jemanden wie den Großkahn, dem er in China begegnet war und der ihn eingeladen hatte, sein Gast zu sein.
Mangu Khan war in der Tat ein ungewöhnlicher, wenn auch grausamer Mann, der von dem Gedanken besessen war, alles, was in der Welt vor sich ging, zu erfahren. Aus diesem Grund hatte er auch regelmäßig Angehörige der verschiedensten Religionen zu gelehrigen Disputationen an seinen Hof eingeladen, in der Hoffnung, dadurch zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Jeder der Geladenen war überzeugt davon gewesen, dass seine Religion die einzig wahre wäre. Mangu Kahn hatte nur gelächelt, sobald die Dispute immer hitziger geworden und zuletzt in wüste Beschimpfungen ausgeartet waren.
Erst dann hatte er seinen Gästen mit lauter Stimme zu schweigen befohlen und so lange gewartet, bis Stille in den prunkvollen Saal eingekehrt war. Mit mahnenden Worten hatte er sodann die Debatte abgebrochen.
„So wie Gott der Hand verschiedene Finger gab, so gab Er den Menschen verschiedene Wege. Euch gab Gott die Heilige Schrift, aber ihr Christen richtet euch nicht danach. Uns aber gab Er Weissager, und wir tun, was sie uns sagen, und wir leben in Frieden.“
Wie oft hatte Jacques schon darüber nachgedacht, ob seine Landsleute wohl anders gewesen wären, wenn sie wie er das Glück gehabt hätten, ferne Länder und Menschen mit fremden Religionen kennenlernen zu können. Anfangs waren diese alle Heiden und Ungläubige für ihn gewesen, doch dann hatte ihn die demütige Inbrunst ihres Glaubens beeindruckt, mit der die Chinesen ihren Buddha verehrten und die Sarazenen und Mauren ihren Mohammed. Sie hatten ihre eigene Religion und würden niemals einen anderen Glauben annehmen.
Die Chinesen erschienen ihm geheimnisvoll und fremd, und je länger er sich
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