Die Bluterbin (German Edition)
seitdem sie ihn kannte, dass sie eine Form von Schwäche an ihm feststellen konnte.
Sie bekam es mit der Angst zu tun, und ihr Magen klumpte sich schmerzhaft zusammen. Konnte es sein, dass er ihr die ganze Zeit über etwas verschwiegen hatte?
Doch schon hatte er sich wieder in der Gewalt und wirkte kühl und unnahbar wie immer.
„Ich werde darüber nachdenken“, beschied er ihr barsch und erhob sich. Mit großen Schritten verließ er den Raum und stapfte schwerfällig die Holztreppe in den Keller hinunter.
5
Katharinas entzückter Schrei holte sie wieder in die Gegenwart zurück. Stolz hielt diese einen wunderschönen Ring mit einem blauen Stein in die Höhe, damit ihn jeder in dem kleinen Raum sehen und gebührend bewundern konnte. Martha und Agnes hatten jeweils ein kleines, liebevoll geschnitztes Pferd aus Jade erhalten und Eleonore kostbare chinesische Seide für ein neues Gewand.
Elsa hatte ihnen gerade den Würzwein gereicht, als Jean zur Türe hereinkam und seinen Gast begrüßte.
Jacques überreichte ihm eine silberne Gürtelschnalle mit Emaileinlagen. Damit blieb nur noch ein Geschenk übrig. Ein wenig enttäuscht hob Jacques es hoch und meinte dann bedauernd: „Eine Tochter fehlt noch.“
Er konnte sich noch gut an das Mädchen erinnern, deren Gesicht ungewöhnlich hellhäutig, fast schon weiß gewesen war. Ihre Augen hatten die seinen für einen Moment getroffen und ihn tief in seinem Innersten berührt.
Auch nach ihrer Begegnung hatte er noch oftmals an sie denken müssen und deshalb insgeheim darauf gehofft, sie an diesem Abend wiederzusehen, um feststellen zu können, ob er sich das Ganze nicht nur eingebildet hatte.
Eleonore warf ihrem Mann einen erschrockenen Blick zu. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Jacques es bemerken würde, wenn eines der Mädchen fehlte. Ob er vielleicht schon von den Gerüchten über Marie erfahren hatte? „Die Hitze hat ihr zu schaffen gemacht, weshalb ich ihr erlaubt habe, sich in der Kammer auszuruhen“, gab sie rasch zur Antwort.
Jacques verbarg die leise Enttäuschung, die in ihm hochstieg.
Doch da trug Elsa auch schon das Essen auf. Es gab Brathuhn in Rotweinsoße, Schweinebraten mit Speckkraut, Gepfeffertes, Aalrutte und Äpfel mit Honig. Dazu wurde frisch gebackenes Weizenbrot gereicht, soviel jeder mochte.
Die Hochzeit wurde während des Essens im gegenseitigen Einvernehmen auf den Tag des heiligen Nikolaus festgelegt, dem Schutzheiligen der Seeleute, von dem die Legende erzählte, dass er einmal drei Kinder aus sturmgepeitschter See gerettet hatte.
Die Speisen waren hervorragend, und so rülpste Jacques zum Abschluss laut und vernehmlich, um seinen Gastgebern zu zeigen, dass es ihm geschmeckt hatte.
Elsa füllte noch einmal die Weinbecher.
„Habt Ihr schon gehört, dass jetzt auch auf den Flüssen immer mehr Zollstationen errichtet werden?“ Jean Machaut sah seinen zukünftigen Schwiegersohn an, um seine Meinung zu dieser neuen Plage zu erfahren. „Es wird tatsächlich immer schwieriger, reich zu werden“, erwiderte Jacques fröhlich. „Bald wird es mehr Zollstationen als Sterne am Himmel geben, und wir werden unsere Preise weiter erhöhen müssen, wenn wir überhaupt noch etwas verdienen wollen. Dabei lohnt es sich jetzt schon kaum noch, Tuch in Flandern einzukaufen, nachdem wir es selbst in die verschiedenen Baronien einführen müssen.“
Eine steile Falte erschien auf Jean Machauts Stirn.
„Ich habe gehört, dass sich die Flamen mit ihrem Qualitätstuch auf den Messen in der Champagne angekündigt haben, und bin schon sehr gespannt darauf, was sie dafür verlangen werden. Wir sollten uns tatsächlich mehr auf den Handel mit Seide spezialisieren, da können wir die Preise noch selbst bestimmen und haben weniger Konkurrenz.“
„Ihr habt ganz recht“, stimmte ihm Jacques nachdenklich zu. „Was war es doch noch für ein Vergnügen, durch China zu reisen und dort Geschäfte zu machen.“
Sofort richteten sich die Augen der ganzen Familie in der Hoffnung auf eine spannende Geschichte erwartungsvoll auf ihn. Und sie wurden nicht enttäuscht. Jacques war ein guter Erzähler, und schon bald tat sich vor den Machauts eine fremde Welt voller Wunder auf.
Staunend vernahmen sie, dass es in China öffentliche, warme Bäder für alle gab und Schiffe, deren Kabinen einen eigenen Abort besaßen. Breite, steinerne Brücken und gepflasterte Straßen, die von Schatten spendenden, hohen Bäumen gesäumt waren, machten das Reisen zu einem wahren
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