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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Vergnügen, genau wie die Gasthäuser, deren weiche Betten mit kostbarer Seide überzogen waren und in denen es keine Flöhe und Wanzen gab.
    Ein Führer überwachte die Sicherheit der Reisenden, die geschützt vor Überfällen unbesorgt größere Geldsummen mit sich führen konnten. Die Menschen waren gastfreundlich, und im ganzen Land herrschte Sauberkeit und Ordnung.
    Der Name eines jeden Gastes wurde neben der Haustüre eingeritzt, und so wusste man stets, wer wann an welchem Ort gewesen war.
    „In goldenen Tempeln beten sie zu Buddha, ihrem glatzköpfigen, dickbäuchigen Gott, der für jeden ein offenes Ohr hat, der ihm Räucherwerk oder Münzen opfert. Die Luft ist so warm und weich wie chinesische Seide und mit Düften von seltenen und kostbaren Blüten erfüllt, deren Schönheit nur schwer zu beschreiben ist. Selbst der Himmel leuchtet dort in einem anderen Blau“, schloss er seinen Bericht ab.
    Die Glocken läuteten die zehnte Stunde ein. Höchste Zeit für einen ehrbaren Bürger, um aufzubrechen, und so verabschiedete sich Jacques von der Familie seiner Braut.
    Der Knecht stand schon mit dem gesattelten Pferd und einer Fackel in der Hand bereit, um ihm heimzuleuchten, und die laute Stimme des Nachtwächters schallte durch die schwüle Nacht. Mit monotoner Stimme rief er die nächste Stunde aus und ermahnte die Leute, auf das Feuer in ihren Häusern Acht zu geben.
    Die Mädchen begaben sich in ihre Kammer, und Eleonore blieb mit ihrem Mann allein zurück. Fragend sah sie ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. Seufzend begab sie sich daraufhin in das gemeinsame Schlafzimmer, wo sie sich auszukleiden begann.
    Jean würde das Haus im Morgengrauen verlassen und erst mehrere Wochen später wieder nach Hause kommen. Er wollte in die Champagne nach Troyes, zur so genannten Heißen Messe, die von Johanni bis Mitte September dauerte, um dort weitere Geschäfte abzuschließen und neue Verbindungen aufzubauen. Nachdem die Marktpolizei die Gläubiger unterstützte und Alleinreisenden Schutz gewährte, stellte der Besuch der Messen auch kein sonderlich großes Risiko dar.
    Eleonore wusste, dass Jean vor seiner Reise noch zu ihr kommen würde, um sein Verlangen an ihr zu stillen, und griff deshalb vorsorglich nach einem kleinen Talgtöpfchen unter ihrem Bett. Seufzend verrieb sie etwas von dem Talg zwischen ihren Beinen, denn Jean hasste es, wenn sie zu trocken war, und sie wusste aus schmerzlicher Erfahrung, wie grob er werden konnte, sobald ihn der Zorn übermannte. Schon des Öfteren hatte er sie geohrfeigt und ihr vorgeworfen, eine schlechte Ehefrau zu sein.
    Gleichgültig ließ sie demzufolge das Unvermeidliche über sich ergehen und war froh, als es endlich vorüber war.
    Pflichtbewusst blieb sie am nächsten Morgen noch in der Türe stehen und winkte ihrem Mann nach, bis er verschwunden war. Sie war gereizt und hatte Kopfschmerzen. Rasch schloss sie die Türe, um den unerträglichen Gestank, den der Wind aus der Gerbergasse herübertrug, nicht länger ertragen zu müssen.
    Eine fette Ratte versuchte im letzten Moment an ihren Füßen vorbei ins Haus zu schlüpfen, doch Eleonore gelang es, sie im Türrahmen einzuklemmen und mit einem nicht sehr weiblichen Tritt zurück auf die Gasse zu befördern. Als Eleonore in die Küche kam, saßen ihre Töchter bereits am Tisch und aßen ihren Gerstenbrei. Die dunklen Ringe um Maries Augen riefen ihr die Ereignisse des gestrigen Tages zurück. Sie bedachte ihre Tochter mit einem strengen Blick.
    „Du wirst das Haus bis zur Hochzeit deiner Schwester nicht mehr allein verlassen“, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    Marie sah erschrocken von ihrer Tonschüssel auf. Die Kälte, die in der Stimme ihrer Mutter lag, war für sie schlimmer als der soeben über sie verhängte Hausarrest. Was sie zu Beginn ihrer Krankheit immer nur befürchtet hatte, war mit jedem ihrer Anfälle mehr zur Gewissheit geworden. Sie würde niemals wirklich in den Kreis ihrer Familie aufgenommen werden und dazugehören. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Sie war anders als die anderen und löste damit Abwehr und Furcht bei den Menschen aus, die sie liebte, sodass ein unüberwindlicher Abgrund zwischen ihr und ihren Angehörigen lag.
    Traurig sah sie ihre Mutter an, suchte vergeblich ihren Blick, doch Eleonore wandte sich Katharina zu, die ununterbrochen über ihre bevorstehende Hochzeit plapperte.
    Sie konnte den anklagenden Ausdruck in den dunklen Augen ihrer jüngsten Tochter nicht

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