Die Bluterbin (German Edition)
werde ihn gehen lassen, sobald seine Familie das Lösegeld bezahlt hat“, antwortete er langsam. „Aber es ist ein großer Verlust für mich. Immerhin kann er lesen und schreiben und hat eine gute Hand für Pferde. Als Ausgleich dafür wirst du hierbleiben und tun, was ich dir befehle“, sagte er hart, „genau, wie du es selbst angeboten hast.“
Marie schluckte. Nun war es also endgültig. Die Entscheidung war gefallen, und sie tat weh, doch sie hatte es nicht anders gewollt.
„Ich danke Euch, Herr“, bekundete sie leise, deutete eine Verbeugung an und verließ erleichtert den Saal.
Enguerrand starrte ihr nach, bis sie verschwunden war.
Das Mädchen hatte es tatsächlich geschafft, ihm ein Versprechen abzuringen, doch niemand würde ihn dazu zwingen können, es auch zu halten. Und dennoch würde er es tun, wie er sich selbst wütend eingestehen musste.
„Bringt mir Wein“, herrschte er die Diener an, die sich beeilten, seinem Befehl nachzukommen.
„Der Herr von Coucy lässt Euch gehen, sobald Eure Familie das geforderte Lösegeld bezahlt hat“, berichtete Marie Robert noch am gleichen Abend, wobei sie sich bemühte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
Sie saßen nebeneinander im Stroh, und trotz der Wärme, die von den Pferden ausging, war es lausig kalt. Der Wind pfiff durch die Ritzen des Holzstalles, und Marie zog ihren Umhang noch enger um ihren Körper.
Robert sah überrascht auf. Er war gerade damit beschäftigt gewesen, seinen Gürtel zu reparieren.
Sie hatte es tatsächlich getan! Im Schein der Tranfunzel betrachtete er ihr schmales Gesicht. Ihre Lippen waren entschlossen zusammengepresst, und in ihren Augen stand tiefe Traurigkeit.
Als er sie zwang, ihn anzusehen, wandte sie ihr Gesicht ab.
„Ihr habt doch nicht etwa geglaubt, dass ich die Burg ohne Euch verlasse? Ihr solltet mich besser kennen.“
Marie legte sanft eine Hand auf seinen Arm.
„Wenn Ihr in Ruhe darüber nachdenkt, werdet Ihr mir recht geben. Es ist nicht Eure Bestimmung, ein Leben als Stallknecht zu verbringen. Ihr werdet Euch immer wie ein Gefangener auf der Burg fühlen und irgendwann beginnen, mich zu hassen, und das könnte ich nicht ertragen.“
„Ich werde Euch niemals hassen“, widersprach Robert. „Wie könnte ich Euch hassen, wo Ihr doch das Wichtigste in meinem Leben seid?“
Er schwieg. Marie sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete.
„Ich werde Enguerrand um Erlaubnis bitten, Euch zu heiraten, und ihm als Gegenleistung anbieten, in seinen Diensten zu bleiben“, meinte er nach einer Weile entschlossen.
Marie dachte eine Weile über seine Worte nach, bevor sie ihm antwortete: „Dann würdet Ihr Euren Grafentitel verlieren, und unsere Kinder und deren Kinder würden als Leibeigene aufwachsen und dem Herrn von Coucy für immer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein.“ Unwillkürlich schüttelte sie ihren Kopf.
„Nein, wir können unsere Augen nicht länger verschließen, es wäre nicht recht. Eure Familie wird sich große Sorgen machen, genau wie Eure Braut, die Euer Vater für Euch ausgewählt hat. Ihr habt schon mehr als genug für mich getan, indem Ihr mich vor dem Bischof gerettet habt, allein dafür werde ich Euch immer dankbar sein.“
Lächelnd sah sie Robert an.
„Es geht mir gut hier. Ich habe Gilles und Adiva, und selbst der brummige Medicus sorgt sich um mich, auch wenn er es niemals zugeben würde.“
Eine Weile schwiegen sie beide.
Tief in seinem Inneren spürte Robert, dass Marie zumindest teilweise recht hatte und sie sich der Realität stellen mussten. Andererseits war es genauso richtig, um Marie und für ihre gemeinsame Zukunft zu kämpfen.
„Wenn ich meinen Vater dazu bewegen kann, die Verlobung zu lösen, und eine Möglichkeit finde, Euch hier herauszuholen, werdet Ihr mich dann heiraten?“ Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, Marie zu verlieren. Seine Stimme klang so flehend, dass Marie nicht anders konnte.
„Ich gebe Euch mein Wort“, sagte sie fest, und Robert schwor sich einmal mehr, alles zu tun, um Marie aus der Gefangenschaft zu befreien.
36
Radulfus hatte mittlerweile jede Hoffnung aufgegeben, Otto jemals lebend wiederzusehen, und sein Hass auf den jungen Grafen war übermächtig geworden. Der Gedanke, dass er Marie berühren und sie damit für seine Zwecke unbrauchbar machen könnte, war schlimmer für ihn, als das heißeste Höllenfeuer es sein konnte.
Und so rief er den Dominikanermönch Albertus zu sich, einen Mann, der überall wegen
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