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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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sie gehen zu lassen. Letztendlich hatte Marie recht. Wenn es wirklich Gottes Wille war, den sie erfüllte, dann lag es sicher nicht in seiner, eines Sterblichen Macht, dies zu ändern.
    Robert ließ sich von diesem Argument dagegen weit weniger leicht überzeugen und wurde mit jedem Tag, der verging, unruhiger und gereizter. Es erfüllte ihn mit heillosem Zorn, mit ansehen zu müssen, wie Marie körperlich immer hinfälliger wurde, ohne dass er ihr helfen konnte.
    Sogar Marie gelang es kaum noch, ihn zu beruhigen, was sie jedoch in ihrem schon zuvor gefassten Entschluss nochmals bestärkte. So konnte es nicht mehr weitergehen. Und so nahm Marie am nächsten Tag all ihren Mut zusammen und ließ sich bei Enguerrand melden.
    Es war später Vormittag und der Zeitpunkt günstig gewählt, denn der Herr von Coucy hatte sich bereits von seinem Lager erhoben und war noch nicht betrunken. Einige andere Bittsteller waren bereits vor ihr da und standen wartend in dem langen Flur vor dem Audienzraum. Es handelte sich um mehrere Hoflieferanten, die ihr Geld wollten, sowie einen Abt, der von zwei Mönchen begleitet war, und einen verarmten Ritter mit seinem Knappen, einem halb verhungerten dünnen Bürschchen mit glanzlosen Augen.
    Enguerrand schien keine gute Laune zu haben, lediglich der Ritter hatte mit seinem Anliegen Erfolg, denn Enguerrand hatte ihm erlaubt, in seine Dienste zu treten, und damit war die Zeit des Hungers und der Not für ihn vorüber. Glücklich verließ er den Saal und warf Marie dabei im Vorbeigehen einen bewundernden Blick zu.
    Die Lieferanten wurden hingegen auf einen Wink des Herrn von Coucy von seinen Wachen hinausgeworfen, und dem mürrischen Gesichtsausdruck des Abtes konnte man deutlich entnehmen, dass auch sein Anliegen nicht günstig beschieden worden war. Endlich trat der Diener zu Marie.
    „Der Herr empfängt heute niemanden mehr, er hat wichtigere Dinge zu erledigen.“
    „Dann richtet dem Herrn aus, dass ich morgen wiederkomme“, antwortete Marie gleichmütig.
    Am nächsten Morgen begab sie sich in aller Frühe wieder zum Audienzsaal. Enguerrand hatte sich an diesem Tag ausnahmsweise etwas früher von seinem Lager erhoben als sonst. Düstere Träume hatten ihn während der Nacht gequält und ihn nicht zur Ruhe kommen lassen.
    Marie war daher die Erste vor dem Audienzsaal, und der Diener führte sie an den Wachen vorbei. Obwohl das Feuer hoch brannte und mehrere große Kohlebecken zusätzlich aufgestellt worden waren, herrschte in dem hohen Saal bittere Kälte.
    Enguerrand gab sich nicht die geringste Mühe, seine schlechte Laune zu verbergen, doch Marie ließ sich dadurch nicht beirren. Sie erwiderte seinen finsteren Blick mit einem Lächeln.
    Er saß in seinem mit Fellen bedeckten Stuhl und spielte mit seinem Jagdmesser. Abgesehen von seinen beiden Schreibern, den Wachen und den Dienern befand sich ansonsten niemand mehr in dem großen Saal.
    „Ich wüsste nicht, was ich mit dir zu reden hätte“, sprach er sie überheblich an und musterte Marie dabei aus zusammengekniffenen Augen.
    Furchtlos hielt Marie seinem Blick stand.
    „Robert und ich haben nunmehr ein halbes Jahr für Euch gearbeitet und unsere Schulden mehr als beglichen.“ Offen sah sie Enguerrand an, ohne auch nur einmal ihre Augen zu Boden zu senken.
    „Ich bitte Euch, Herr, lasst Robert gehen, er ist allein durch meine Schuld in diese Situation geraten. Ich werde dagegen so lange hierbleiben, wie Ihr es wünscht, und alles tun, was Ihr von mir verlangt.“
    Enguerrand sah an ihr vorbei.
    „Ich allein entscheide, wer hierbleibt und wer geht, und jetzt verschwinde und wage es nie wieder, mich zu belästigen“, schrie er.
    „Dann werde ich zukünftig keine Kranken mehr heilen“, entgegnete Marie ruhig.
    Enguerrand glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Da wagte es dieses Mädchen doch tatsächlich, ihm zu drohen.
    Enguerrands Brauen schoben sich zornig zusammen, er sagte aber nichts. Eine Weile war kein Laut bis auf das Knistern des Feuers in dem großen Raum zu vernehmen.
    „Niemand droht mir“, brüllte er auf einmal los, aber Marie hörte einen Anflug von Unsicherheit aus seiner Stimme heraus.
    Hoch aufgerichtet stand sie vor ihm, und ihre dunklen Augen ließen sein Gesicht nicht los.
    Plötzlich konnte Enguerrand ihren Anblick nicht länger ertragen, irgendetwas an dem Mädchen war ihm unheimlich. Gleichzeitig nötigte sie ihm im Vergleich zu seinen kriecherischen Höflingen jedoch so etwas wie Respekt ab.
    „Ich

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