Die Bluterbin (German Edition)
Langem, dass er für irgendetwas Begeisterung zeigte.
Tatsächlich stellte das Pferd eine echte Herausforderung für ihn dar und lenkte ihn von seinen trüben Gedanken ab.
Er nahm Marie bei der Hand und zog sie mit sich. „Kommt mit, ich zeige ihn Euch.“
Der Hengst war weit abseits der anderen Pferde untergebracht und festgebunden worden. Robert entzündete eine Fackel. Sofort legte der Hengst seine Ohren an und begann in seiner Box zu toben. Er zerrte an dem Strick und keilte nach allen Seiten aus. Es war ein herrliches, vor Kraft strotzendes Tier, dessen schwarzes Fell im Licht der Fackel wie Samt schimmerte.
Furchtlos trat Marie näher an ihn heran. Der Hengst bleckte seine Zähne und schnappte nach ihr, doch der Strick war zu kurz, um sie zu erreichen. Marie sah ihm in die rollenden Augen, in denen das Weiße zu sehen war.
„Geht nicht zu nah an ihn heran“, warnte sie Robert besorgt.
Doch unter Maries Blick wurde der Hengst ruhiger, sodass Marie schließlich vorsichtig die Hand nach ihm ausstreckte und ihm über die weichen Nüstern strich, ohne ihn dabei jedoch aus den Augen zu lassen.
Friedlich wie ein Lamm stand der Hengst da und ließ sich streicheln. Es sah beinahe so aus, als würde er es genießen.
Robert kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn sobald er sich dem Pferd nur ein paar Schritte näherte, legte es nach wie vor die Ohren an und starrte ihn böse an. Es war eine deutliche Warnung, nicht näher zu kommen.
„Ich glaube, er ist geschlagen worden. Er ist nicht bösartig, er hat nur Angst und vertraut niemandem mehr.“
„Bei Euch scheint er aber eine Ausnahme zu machen“, nickte Robert anerkennend und lächelte. Es faszinierte ihn, wie Marie das Tier allein mit einem Blick ihrer Augen gezähmt hatte.
„Enguerrand darf auf keinen Fall etwas davon erfahren“, sagte Robert leise, und Marie nickte zustimmend. Dann tätschelte sie dem Hengst noch einmal den Hals, bevor sie, gefolgt von Robert, den Stall verließ.
Robert begleitete Marie noch bis zum Wohnturm zurück, wo er sie wie immer zum Abschied in seine Arme zog. Doch dieses Mal kam ihm Marie dabei nicht wie sonst entgegen, und Robert stellte wieder das beunruhigende Gefühl der Entfremdung zwischen ihnen fest. Verstört begab er sich zurück zu den Ställen und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Marie wahrscheinlich nur von der harten Arbeit in der Küche erschöpft gewesen war.
35
Die nächsten Tage über bekam Robert Marie kaum zu Gesicht, denn wegen des feuchten, kalten Wetters waren viele Menschen krank geworden, und der Medicus rief jedes Mal, wenn er mit seinem ärztlichen Wissen nicht mehr weiterkam, nach Marie.
Gilles beobachtete voller Sorge, wie sie von Tag zu Tag erschöpfter aussah, und als der Medicus sie an diesem Tag wieder abholen wollte, versperrte er ihm den Weg.
„Siehst du nicht, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten kann? Du wirst sie heute nicht mitnehmen“, wies er den Medicus zurecht.
„Aber der Fürst ist ein Freund unseres Herrn. Ich kann das Fieber nicht herunterbekommen, und er hustet sich die Lunge aus dem Hals. Und sollte er sterben, wird Enguerrand mir die Schuld daran geben“, jammerte dieser.
„Bevor sie hier war, musstest du auch allein zurechtkommen. Lass dir also gefälligst etwas anderes einfallen. Marie bleibt jedenfalls hier.“
Aber Marie hatte den Medicus längst entdeckt. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, als sie sich müde erhob.
Beschwichtigend legte sie ihre Hand auf Gilles’ Arm.
„Ihr braucht Euch nicht um mich zu sorgen“, versicherte sie und versuchte dabei ein Lächeln, das mehr als kläglich ausfiel.
Gilles sah ihr besorgt nach, als sie mit dem Medicus die Küche schnellen Schrittes verließ und um die Ecke bog.
Das Mädchen war ein Engel, und er wollte sie nicht verlieren. Seitdem sie hier war, war die Stimmung unter den Küchenmägden und Knechten besser geworden, und die tägliche Arbeit ging ihnen oftmals leichter und mit einem kleinen Scherz auf den Lippen von der Hand.
Währenddessen lag der Fürst erschöpft auf seinem Lager. Seine Augen glänzten fiebrig, und seiner Brust entrang sich immer wieder ein pfeifendes Geräusch. Zwei Priester standen ihm zur Seite und murmelten halblaut ein Gebet.
Kaum war Marie jedoch an sein Bett getreten und hatte sich seiner angenommen, als er auch schon erstaunt spürte, wie der Druck in seiner Brust langsam nachließ und er sich von einem Moment zum anderen wieder kräftig fühlte. Verwundert
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