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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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zu machen. Und als sie bemerkte, dass Marie weinte, sprang sie auf und wühlte in ihrer Truhe herum. Sie wollte nicht, dass auch nur der kleinste Wermutstropfen auf ihre Hochzeit fiel.
    Mit dem kleinen Jadevogel in der Hand kam sie zurück ins Bett.
    „Bitte wünsch mir Glück“, flüsterte sie und reichte Marie den Vogel. Marie konnte vor lauter Freude nicht einschlafen. Doch es war nicht nur die Freude über das kostbare Kleinod, die sie am Schlafen hinderte.
    Das erste Mal in ihrem Leben war Katharina freundlich zu ihr gewesen, und so strich sie immer wieder über das kostbare Kleinod, das ihr von nun an ganz allein gehörte und sie stets an Katharina erinnern würde.
    Es war ein regnerischer, kalter Tag, an dem Katharina ihrem neuen Leben entgegenfuhr, und Marie winkte dem Wagen so lange nach, bis er hinter einer Biegung verschwunden war.
    Elsa hatte hinter ihr gestanden und zog sie nun zurück ins Haus, als sie bemerkte, dass Marie vor Kälte zitterte. Besorgt legte sie dem Mädchen einen Arm um die schmale Schulter und zog sie mit sich in die Küche.
    „Du bist ja ganz kalt, ich werde dir etwas von dem guten Wein aufkochen, damit dir schnell wieder warm wird.“
    Kurze Zeit später stellte sie Marie einen mit heißem Würzwein gefüllten Becher und dazu frisch gebackenes Brot und etwas Käse auf den Tisch.
    „Jetzt werden wir es uns gemütlich machen und die Abwesenheit deiner Familie auf unsere Art feiern“, erklärte sie mit Nachdruck in der Stimme.
    Pierre, den der Duft des Würzweines angezogen hatte, steckte hoffnungsvoll seinen Kopf durch die Küchentüre.
    Elsa öffnete schon den Mund, um ihn zurück an seine Arbeit zu scheuchen, doch dann überlegte sie es sich anders. Pierre war zwar einfältig und dumm, aber auch willig und fleißig, und sie beschloss, dass auch er eine Freude haben sollte.
    „Nicht dass du denkst, es geht jetzt jeden Tag so“, brummelte sie streng. „Doch heute werden wir feiern und es uns gut gehen lassen.“
    Sie stellte zwei weitere Becher mit Wein auf den Tisch und holte noch mehr Brot und Käse, dazu ein kleines Stück Schinken, das sie in drei gleich große Teile schnitt. Das Feuer im Ofen verbreitete eine gemütliche Wärme, und Elsa zwang Marie dazu, den Wein auszutrinken und etwas zu essen.
    Es wurde ein schöner Vormittag und Marie, deren Wangen vom Wein leicht gerötet waren, warf Elsa einen bittenden Blick zu.
    „Darf ich heute die Kathedrale besuchen? Ich möchte so gerne für Katharina beten“, drängte sie.
    Elsas Gesicht verzog sich abfällig.
    „Deine Schwester hat es nicht verdient, dass du für sie betest. Ich habe noch nie erlebt, dass sie auch nur ein einziges Mal an jemand anders gedacht hat als an sich selbst.“
    Marie warf der alten Magd einen seltsamen Blick aus ihren dunklen Augen zu.
    „Sie ist meine Schwester“, erwiderte sie ernst und zog dann das kostbare Vögelchen aus dem Beutel an ihrem Gürtel hervor und hielt es strahlend vor Freude hoch.
    „Katharina hat ihn mir letzte Nacht gegeben, ist er nicht wunderschön?“ Elsa betrachtete das Kleinod. Dass dem Vogel ein Auge fehlte, schien Marie nicht weiter zu stören, und es war schön, Marie endlich einmal glücklich zu sehen.
    „Ich bin einverstanden, aber Pierre wird dich begleiten“, gestand sie Marie schließlich zu, aber Marie sah sie fest an.
    „Pierre hat zu arbeiten. Mein Vater wird böse sein, wenn er erfährt, dass er seine Arbeit liegen lässt, nur um mich zur Kathedrale zu begleiten. Du brauchst dich nicht zu sorgen, mir wird schon nichts geschehen.“
    Glücklich sprang sie auf und lief in die Kammer, um ihren Umhang zu holen. Und bevor Elsa noch etwas sagen konnte, war sie schon wieder die Treppe hinunter und auf die Straße hinausgelaufen.
    Eiskalter Wind schlug ihr entgegen, und es regnete in Strömen. Nur wenige Menschen kamen ihr entgegen. Wer bei diesem Wetter nicht unbedingt nach draußen musste, zog es vor, am warmen Ofen zu bleiben. Marie schlang ihren Mantel fester um sich, während sie mit schnellen Schritten durch die Gassen eilte.
    Allerdings vermied sie es, durch die Gasse der Fischhändler und Fleischhauer zu gehen, weil der Geruch des Blutes, der dort überall aus den Läden heraus und direkt auf die Straße floss, für sie nur schwer zu ertragen war.
    Stattdessen nahm sie den etwas längeren Weg, der sie an den großen Steinhäusern der jüdischen Geldverleiher vorbeiführte.
    Als die mächtigen Mauern und Türme der Kathedrale vor ihr auftauchten, wurde

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