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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Füße zu waschen. Als er fertig war, ließ er sich eines der Leinentücher reichen und rieb die Füße des Bettlers sorgfältig trocken.
    Radulfus sah ihm fassungslos zu.
    „Wollt Ihr mir nicht behilflich sein?“, forderte Ludwig ihn auf.
    „Diese armen Menschen hier haben Hunger, und wir wollen sie doch nicht zu lange warten lassen.“
    Radulfus glaubte, vor Wut zerspringen zu müssen. Grimmig wusch er dem nächsten Bettler die Füße und versuchte nicht einmal, seinen Ekel zu verbergen.
    Joinville kam ihm zu Hilfe. Das missmutige Gesicht des Bischofs amüsierte ihn, doch insgeheim hoffte er, dass Ludwig es nicht auf die Spitze treiben würde. Er hatte sich auch so schon genügend Feinde im Land gemacht, und manch einer der hohen Kirchenherren belächelte seinen frommen Eifer bereits mitleidig.
    Endlich war die Waschung beendet, und der König sprach persönlich das Tischgebet. Anschließend forderte er die Bettler auf, zuzugreifen, was sich keiner der Männer zweimal sagen ließ. Hungrig fielen sie über die aufgetragenen Speisen her und stopften, nachdem sie ihre Hemmschwelle erst einmal überwunden hatten, so viel in sich hinein, wie ihre Bäuche zu fassen vermochten.
    König Ludwig aß nur etwas Brot, und man sah ihm an, dass es ihm große Freude bereitete, den Männern beim Essen zuzusehen, während Radulfus seinen Blick angewidert von den laut schmatzenden, rülpsenden Männern abwandte.
    Er verstand den König nicht. Es gab weitaus wichtigere Dinge, als sich um ein paar zerlumpte Bettler zu kümmern, die, nachdem sie nun einmal an einer Tafel der Oberen gesessen hatten, am nächsten Tag nur noch unzufriedener mit ihrem Leben sein würden.
    Der König war für seine vorbildliche Frömmigkeit bekannt und stand in dem Ruf, umsichtig und gerecht, wenn auch mit harter Hand zu regieren. Streitereien und Fehden versuchte er zunächst durch Einigung beizulegen, und ein Kampf kam erst als letztes aller möglichen Mittel für ihn in Betracht.
    Doch Radulfus’ Meinung nach beging Ludwig für einen König zu viele entscheidende Fehler.
    Dabei kümmerte Radulfus die Beschneidung der Machtbefugnisse der adligen Grundherrschaft, die mit dem Verlust deren Unabhängigkeit und der uneingeschränkten Autorität ihrer Lehen einherging, nur wenig. Viel schlimmer fand er dagegen, dass der König die Macht der Kirchenobrigkeit und damit auch die seine minderte, indem er die wichtigsten kirchlichen Verwaltungsposten mit seinen eigenen, weltlichen Leuten besetzt hatte und jegliche Form der Korruption mit der vollen Härte des Gesetzes ahndete. Diese Verwaltungsämter waren davor von den Bischöfen und Äbten über Jahrhunderte hinweg für viel Geld an Angehörige ihres eigenen Standes, des Klerus, verkauft worden, wodurch sie sich dessen Loyalität gesichert und ein System aufgebaut hatten, das sich bewährt und der Kirche gleichzeitig den Rücken gestärkt hatte.
    Ein ebenso großes Übel war die Unterstützung, die der König dem Bettelorden der Minoriten gewährte, einem Haufen überheblicher, selbsternannter Mönche, die weder das Paternoster noch das Ave Maria hersagen konnten, ganz zu schweigen von der Absolutionsformel.
    Sie sprachen kein Latein und begriffen nicht einmal den höheren Sinn der Taufe. Irgendwie hatten sie es jedoch geschafft, von Papst Innozenz III. als Bruderschaft anerkannt zu werden. Wenn auch nur mündlich und mit König Ludwigs Hilfe war es ihnen gelungen, einen eigenen Orden zu gründen, der nichts weiter im Sinn hatte, als das Volk gegen die Kirchenoberhäupter aufzuhetzen.
    Aber das Volk verehrte Ludwig wie einen Heiligen, seitdem sich herumgesprochen hatte, dass Gott mehrere Wunder durch ihn gewirkt hatte. Warum nutzte er seinen Einfluss nicht, um die Kirche zu unterstützen? Diese verwanzten Bettelorden, die wie Pilze aus dem Boden schossen und, einer Seuche gleich, das Land überzogen, verunsicherten das Volk doch nur und verbreiteten nichts als Unruhe. Die Bettler hatten mittlerweile sogar noch den letzten Brotkrümel vertilgt und rieben sich nun zufrieden ihre vollen Bäuche.
    Ludwig stand auf und reichte jedem der Männer ein Silberstück.
    „Geht jetzt und dankt dem Herrn für seine große Güte. Er ist es, der für euch sorgt und dem ihr dienen müsst, so wie ich euch gedient habe.“
    Die Bettler bedankten sich unterwürfig und verschwanden dann genauso lautlos, wie sie gekommen waren.
    Endlich waren sie allein. Radulfus warf dem König einen verstohlenen Blick zu. Vielleicht würde sich

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