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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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und unschuldiges Mädchen wie Marie kommt ihm da gerade recht. Vielleicht trägt er sich sogar mit der Hoffnung, dass Maries Unschuld Gott von seinen Sünden ablenken würde.“
    Robert konnte nicht ahnen, wie nah er der Wahrheit mit seinen soeben geäußerten Überlegungen gekommen war.
    Am nächsten Tag wartete Robert vergebens auf Marie. Als sie am darauf folgenden Tag auch nicht erschien, ließ er sich vom Studium befreien und begab sich zu Maries Elternhaus, wo er unruhig auf und ab lief. Er brauchte nicht lange zu warten, bis er Elsa entdeckte, die immer wieder voller Sorge aus dem Fenster spähte, in der Hoffnung, Marie zu entdecken.
    Als sie Robert sah, schnappte sie aufgeregt nach Luft. Die ganze Zeit über hatte sie sich an den Gedanken geklammert, dass Marie bei dem jungen Mann sein könnte, der ihr Freund war, wie sie Elsa erzählt hatte.
    So schnell sie konnte, rannte sie zur Türe hinaus und auf Robert zu.
    „Wo ist Marie, was habt Ihr mit ihr gemacht? Geht es ihr gut?“ Zornig starrte sie den jungen Mann an. Am liebsten hätte sie ihn gepackt, um aus ihm herauszuschütteln, was er wusste, doch sie wagte es nicht. Da sah sie die Angst in seinen Augen. Insgeheim hatte Robert gehofft, dass es eine einfache Erklärung dafür geben würde, dass Marie nicht zu ihrem Treffen gekommen war. Dass sie krank wäre oder Hausarrest hätte.
    „Nun redet schon“, fuhr Elsa ihn schärfer an, als sie es vorgehabt hatte. „Ich will endlich wissen, wo Marie ist.“
    Robert atmete einmal tief durch.
    „Das möchte ich auch, oder was glaubt Ihr, weshalb ich hergekommen bin? Marie ist seit zwei Tagen nicht am Salzmarkt erschienen, obwohl wir uns dort zur fünften Stunde verabredet haben.“
    Elsa schnappte empört nach Luft.
    „Was fällt Euch ein? Marie ist die Tochter eines ehrbaren Tuchhändlers. Wollt Ihr ihre Ehre beschmutzen?“
    „Jetzt beruhigt Euch wieder, ich habe nur versucht, sie zu beschützen, und mache mir genauso große Sorgen um Marie wie Ihr.“
    „Und Ihr wisst nicht, wo sie sein könnte?“, schluchzte Elsa plötzlich auf. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen, als Robert verneinend den Kopf schüttelte.
    In diesem Moment schallte Eleonores harte Stimme aus dem Haus. Ungeduldig hatte sie bereits zum dritten Mal nach der Magd gerufen. Langsam wurde sie wütend. Seitdem Marie verschwunden war, war Elsa zu nichts mehr zu gebrauchen. Selbst die Gemüsesuppe war ihr so stark angebrannt, dass sie ungenießbar gewesen war.
    Elsa zuckte zusammen. „Ich muss zurück ins Haus. Bitte wartet hier auf mich. Ich komme wieder, sobald ich kann.“
    Robert nickte und sah ihr nach, bis sie im Haus verschwunden war.
    Er musste an Radulfus denken, und die namenlose Angst, die ihn seit zwei Tagen lähmte, verwandelte sich auf einmal in eiskalte Wut. Es war genau das eingetreten, was er insgeheim befürchtet hatte, und er zweifelte nicht einen Moment daran, dass der Bischof etwas mit Maries Verschwinden zu tun hatte. Dieser Teufel hatte es tatsächlich geschafft, Marie in seine Gewalt zu bringen, und er selbst hatte sein Versprechen, sie zu beschützen, zum dritten Mal gebrochen.
    „Ich schwöre bei Gott und allen Heiligen, dass ich diesen Satan in Menschengestalt umbringen werde, sollte er Marie auch nur ein Haar krümmen.“ Ohne es zu wollen, hatte er seinen Schwur laut herausgeschrien.
    Die beiden prächtig gekleideten Bürgerfrauen, die gerade die Gasse hochkamen, zuckten erschrocken zusammen und beeilten sich, an dem zornigen jungen Mann vorbeizukommen. Erst als sie weit genug von ihm entfernt waren, wandten sie sich vorsichtig um und tuschelten leise miteinander, während sie Robert argwöhnisch beobachteten.
    Robert kümmerte sich nicht um sie. Ungeduldig wartete er darauf, dass die Magd zurückkam. Nichts tun zu können, während Marie sich in Gefahr befand, war schwer für ihn zu ertragen.
    Endlich erschien Elsa mit hochrotem Kopf.
    „Ich habe nur wenig Zeit“, flüsterte sie. „Marie hat vor zwei Tagen, so um die dritte Stunde herum, das Haus verlassen, um in die Kathedrale zu gehen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört. Mein Herr hat die Nachbarn zusammengerufen, und sie haben die ganze Nacht nach ihr gesucht. Er hat sogar einen Ausschreier bezahlt, der auf dem Markt die Leute dazu aufgefordert hat, sich bei uns zu melden, falls sie etwas über das Verschwinden seiner Tochter wissen.“
    Sie warf einen ängstlichen Blick zum Haus hinüber und sprach dann so leise weiter, dass Robert Mühe

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