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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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erwartet mich“, gab Bruder Gregor unbeeindruckt zurück. Der Mann kratzte sich unsicher den Bart.
    „Davon hat er aber nichts gesagt“, meinte er schon nicht mehr ganz so unfreundlich wie zuvor.
    Bruder Gregor trat näher an den Mann heran und sah ihm fest in die Augen.
    „Wollt Ihr etwa einen Mann Gottes der Lüge bezichtigen?“ Er schlug ein Kreuzzeichen und setzte eine mitleidige Miene auf. „Wehe den Ungläubigen, die kein Vertrauen zu mir haben. Sie sind es nicht wert, in mein Reich und meine Herrlichkeit einzugehen“, zitierte er und drehte sich um, als ob er weggehen wolle.
    „Wartet!“ Seine eindringlichen Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Mann war verunsichert. Schließlich trat er zur Seite und gab den Weg frei.
    „Gott segne Euch“, sagte Bruder Gregor gnädig.
    Er fand sowohl den Empfangsraum als auch den Schreibraum des Bischofs verlassen vor, und auch von der Dienerschaft war weit und breit niemand zu sehen. Möglichst leise ging Bruder Gregor weiter. Plötzlich spürte er in dem geräumigen Flur vor dem Schlafgemach des Bischofs einen kalten Luftzug von der Seite kommen. Suchend sah er sich um. Sein Blick fiel auf einen kostbaren Wandbehang, auf dem das Letzte Abendmahl des Herrn abgebildet war.
    Vorsichtig schob Bruder Gregor den Stoff ein Stück zur Seite und entdeckte dahinter tatsächlich eine schmale Türe, die einen Spalt weit offen stand. Die Türe war optisch so perfekt in das Mauerwerk eingepasst, dass man sie mit bloßen Augen selbst dann nicht entdeckt hätte, wenn sie nicht durch den Wandbehang verdeckt gewesen wäre.
    Seine Kehle wurde trocken vor Aufregung. Er schlug ein Kreuzzeichen und schickte ein kurzes Gebet zum Himmel. Dann schlüpfte er entschlossen durch die Türe.
    Eine schmale Treppe führte in die Dunkelheit hinab und endete in einem schmalen Gang, der lediglich von einigen wenigen, im Mauerwerk verankerten Fackeln erleuchtet wurde. Feuchtkalte Luft und ein modriger Geruch schlugen ihm entgegen.
    Nach einer Weile teilte sich der Gang. Doch während der linke Gang im Dunkeln lag, war der rechte wiederum durch Fackeln an den Wänden erleuchtet. Bruder Gregor folgte dem Licht der Fackeln, als er plötzlich ein Geräusch vor sich vernahm. Einen Moment lang verharrte er in völliger Regungslosigkeit, danach schlich er vorsichtig weiter.
    Der Gang endete vor einer niedrigen Holztüre, die massiv gearbeitet war. Eine kleine Klappe war auf Augenhöhe in sie eingelassen. Mit klopfendem Herzen und so behutsam wie nur möglich schob er sie zur Seite und spähte durch sie hindurch.
    Ein kleiner fensterloser Raum tat sich vor ihm auf, der durch rings an der Wand befestigte Kienspäne hell erleuchtet war. Der Sakristan sah Marie sofort. Regungslos und mit bleichem Gesicht saß sie auf einem mit Leder bezogenen Faltstuhl, dem einzigen Möbelstück in dem kahlen Raum. Groß und düster ragte der Bischof vor ihr auf. Offenbar stand er unter großer Anspannung. Gierig hingen seine Augen an ihrer schmalen Gestalt.
    „Werdet Ihr mir jetzt endlich Euer Geheimnis verraten?“, zischte er, und seine kalten Augen blitzten fanatisch auf.
    Marie zuckte zusammen, als er sich drohend zu ihr hinunterbeugte.
    „Seid Ihr gekommen, um mich mit Euren schwarzen Augen in die Verdammnis zu ziehen?“
    Marie gab ihm keine Antwort. Verzweifelt starrte sie auf den kahlen Boden. Sie spürte die dunkle Bedrohung, die von dem Bischof ausging, und klammerte sich an die Hoffnung, dass Robert sie hier finden und befreien würde. Seit zwei Tagen hielt der Bischof sie nun schon gefangen und stellte ihr immer wieder die gleichen Fragen. Sie hatte dem Blick in seine stechenden Augen, hinter denen das Böse lauerte, nicht standhalten können.
    Als sie es dennoch einmal versucht hatte, waren kalte Schauer über ihren Rücken gelaufen, und ihr war schwindelig geworden. Der Schwindel war so heftig gewesen, dass sich alles um sie herum zu drehen begonnen hatte. Die Sinne waren ihr geschwunden und hatten sie gnädig der Dunkelheit des Vergessens überantwortet.
    Seitdem wollte sie nur noch Radulfus’ Blick entkommen. Von einem Moment zum anderen änderte sich Radulfus Miene jedoch und drückte beinahe kindliche Erwartung aus.
    „Seid Ihr ein Engel, der vom Himmel herabgestiegen ist, um meine Seele zu retten?“, fragte er jetzt hoffnungsvoll. Seine Stimme klang hell wie die eines Knaben vor dem Stimmbruch. Er fiel vor Marie auf die Knie und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Marie erstarrte. Vor lauter

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