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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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versuche, mehr darüber herauszubekommen.“
    Robert zögerte. Der Gedanke, dass Bernard sich ihm zuliebe in Gefahr begab, behagte ihm nicht.
    „Radulfus ist gefährlich, wir dürfen ihn keinesfalls unterschätzen“, gab er zu bedenken.
    Eine Weile schwiegen die beiden Freunde. Das Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben, verdichtete sich immer mehr in Roberts Kopf. Bernard öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Robert hielt ihn mit einer Handbewegung davon ab.
    Bernard sah, wie sein Freund angestrengt nachdachte.
    Er riss einen Grashalm aus und zerteilte ihn langsam in kleine Fäden, die er sich um den Finger wickelte, während Robert begann, alle ihnen bekannten Fakten noch einmal der Reihe nach laut aufzuzählen.
    „Radulfus interessiert sich seit dem Tag für Marie, an dem König Ludwig in der Kathedrale war. Wenn ich nur wüsste, was genau in der Kathedrale geschehen ist. Von Marie wissen wir, dass der König starke Schmerzen hatte, doch als ich dort eintraf, wirkte König Ludwig völlig gesund. Er hat gesagt, dass ihn der Ring immer an den Tag erinnern würde, an dem Gott ihm eine große Gnade gewährt habe. Welche Gnade könnte das sein?“
    Er legte eine kleine Pause ein, um seine Worte nachwirken zu lassen. „Constance hatte ebenfalls starke Schmerzen, als sie auf Marie traf. Beide Male, in der Kirche und in der Gasse, ist Marie anschließend zusammengebrochen. Es muss irgendeinen Zusammenhang zwischen den beiden Begegnungen geben. Der König hatte danach keine Schmerzen mehr, und auch der Wirt hat nichts davon gesagt, dass Constance irgendwie krank gewesen ist. Wäre sie krank gewesen, hätte er ihr sicher keine Freier in die Kammer geschickt.“ Der Gedanke, der sich nun in seinem Kopf formte, war so ungeheuerlich, dass er kaum wagte, ihn auszusprechen. Er sah Bernard unsicher an, bevor er langsam weitersprach:
    „Kann es möglich sein, dass Marie die Gabe des Heilens besitzt und König Ludwig ebenso wie Constance von ihren Schmerzen befreit hat?“ Bernards Gesichtsausdruck wurde ungewöhnlich ernst. Es war das erste Mal, dass er sich um jemand anders als sich selbst Gedanken machte, und das Schicksal des Mädchens berührte ihn sehr. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er die Schwertleite erhielt, und es war die vornehme Pflicht eines jeden Ritters, Frauen und Kinder zu schützen. Seine hohe Stirn kräuselte sich, als er über die Worte seines Freundes nachdachte.
    „Wenn das wirklich wahr ist, warum hat Marie uns dann nichts davon erzählt?“
    Auf diese Frage wusste Robert auch keine Antwort. „Vielleicht weiß sie es nicht. Es könnte doch sein, dass es ihr gar nicht bewusst ist, und selbst wenn sie es weiß, wäre sie viel zu bescheiden, um darüber zu reden.“
    Seine Gesichtszüge wurden weich, als er weitersprach:
    „Es sind ihre Augen, sie haben einen merkwürdigen Glanz und eine Ausstrahlung, wie ich sie noch nie bei einem Menschen erlebt habe. Wenn sie mich ansieht, habe ich das Gefühl, als würde ich in ihren Augen versinken. Mit einem Blick hat sie bei einer unserer ersten Begegnungen den Büttel davon abgehalten, einem kleinen Beutelschneider die Hand abzuhacken. Es gibt Menschen, die den bösen Blick besitzen, weshalb sollte es daher also nicht auch welche geben, die den guten Blick oder sogar einen heilenden Blick haben? Schon allein um das Gleichgewicht zwischen den Dingen wieder herzustellen.“
    „Was Ihr sagt, entbehrt nicht einer gewissen Logik.“ Bernard war beeindruckt.
    „Es würde auch erklären, warum Radulfus sich ihrer bemächtigen will. Stellt Euch vor, er könnte mit Maries Hilfe Wunder wirken und Kranke heilen! Dann würde er mächtiger werden, als er es sich je erträumt hat. Jeder, der unter einer Krankheit leidet, würde in die Kathedrale kommen. Fürsten und Grafen ebenso wie die Adligen und die reichen Kaufleute. Er hätte sie alle in der Hand und würde verehrt werden wie ein Heiliger.“
    Bernard spuckte verächtlich auf den Boden.
    „So weit darf es nicht kommen. Ein Mörder, der den Teufel im Leib hat, soll angebetet werden wie ein Heiliger? Glaubt Ihr, dass Gott das zulassen wird?“
    „Wenn Ihr Gottes Wort aufmerksamer gelesen hättet, würdet Ihr wissen, dass Er den Menschen den freien Willen gegeben hat. Während seines Erdendaseins kann jeder tun und lassen, was er will. Warum sollte Er sich da einmischen? Radulfus wird in der finstersten Ecke der Hölle schmoren, doch bis dahin muss er mit seinem Gewissen allein zurechtkommen. Ein reines

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