Die Blutgruft
sollte.«
»Einen Vampir?«
»Ja, so habe ich es aus den alten Chroniken erfahren. Auf einem der Schiffe, die über das Meer segelten, wurde ein Blutsauger mitgebracht. Er musste aus seiner Heimat fliehen, weil man ihm auf den Fersen war. Ein paar Getreue packten ihn in eine Kiste und schafften ihn über das Meer hinweg in die Neue Welt. Hier fand er seine neue Heimat.«
»In der Blutgruft?«
»Er wurde dort eingeschlossen«, flüsterte Elisa. »Man wollte ihn irgendwann wieder hervorholen, aber das Schicksal war dagegen. Es gab auch hier Kämpfe, und so geriet der Vampir in Vergessenheit. Er blieb also in der Blutgruft gefangen. Er war tot und doch nicht tot. Einer seiner Getreuen, den das Gewissen geplagt haben muss, hat seine Geschichte niedergeschrieben. Ich fand diese Chronik bei einer Haushaltsauflösung versteckt in einem uralten Schrank, als ich eine Schublade hervorzog. Die Papiere befanden sich darunter. Und so bin ich dann wissend geworden.«
Ich jubelte innerlich, denn da hatte ich genau die richtige Spur gefunden. Elisa Bancroft würde auch wissen, wo wir die Blutgruft finden konnten. Genau danach fragte ich sie.
Die alte Frau hielt sich zunächst mit einer Antwort zurück. Sie bewegte nur ihre Augen, deren Ausdruck furchtsam geworden war. »Es ist gefährlich, sie zu suchen und in sie einzudringen.«
»Aber deshalb bin ich hier. Die Blutgruft ist leider geöffnet worden, der Vampir ist in der langen Zeit nicht vergangen. Es gibt ihn wieder, und ich gehe davon aus, dass er erstarkt ist.«
»Das muss man leider sagen, John.«
»Und deshalb muss er vernichtet werden.«
»Ich weiß es«, flüsterte sie. Ihre Hände hatte sie unter der Bettdecke weggezogen. Sie bewegten sich unruhig darüber hinweg, und ich sah, dass ihre Finger gespreizt waren.
»Es gibt sie nicht hier in Burgess«, erklärte sie mit leiser Stimme. »Diejenigen, die das Grauen hergebracht haben, sind nicht bis an die Küste gekommen. Sie haben ihre böse Fracht schon vorher ausgeladen, ohne dass es bemerkt worden ist.«
»Wo genau?«
»Auf einer Insel in der Nähe. Bei klarem Wetter kann man sie sogar vom Aufenthaltsraum durch die Scheibe sehen. Es gibt zahlreiche Inseln vor der Küste und...«
»Ist sie noch bewohnt?«, fragte ich.
»Nein, Mr. Sinclair, das ist sie nicht. Das hat man nicht geschafft. Den Grund kenne ich nicht. Etwas muss die Menschen davon abgehalten haben. Es kann sein, dass ihnen der Untergrund zu felsig gewesen ist. Da kommt eben einiges zusammen. Aber es hat sich bis heute nichts daran geändert. Die Insel existiert, die Blutgruft ebenfalls und natürlich auch dieser verfluchte Blutsauger.«
»Hat er einen Namen?«
»Ja. Wie auch die Insel. Manche nennen sie Lost Island. Ein richtiger Name. Sie liegt irgendwie verloren oder vergessen zwischen den anderen, auf denen Menschen wohnen und die im Sommer von Feriengästen frequentiert werden. Es ist immer alles gut abgelaufen, aber jetzt ist die Blutgruft offen, und ich brauche Ihnen nicht sagen, was da passieren kann, wenn die Urlauber einmal hier sind.«
»Daran möchte ich nicht denken. Deshalb muss dieser Vampir so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt werden.«
Elisa Bancroft schaute mich an. »Komisch, aber einem anderen Menschen hätte ich das alles nicht erzählt. Ihnen vertraue ich. Ich sehe Ihnen an, dass Sie mir nichts vorlügen. Den Blick für Menschen habe ich mittlerweile bekommen.«
»Jetzt fehlt nur der Name«, erinnerte ich sie.
»Er heißt Rusko!«
Ich dachte nach. Nein, den Namen hatte ich noch nie zuvor gehört. Ich hatte gegen zahlreiche Vampire gekämpft und die meisten von ihnen zur Hölle geschickt, aber ein Rusko war mir noch nicht untergekommen. Für mich hörte sich der Name fremd an, und ich fragte Elisa Bancroft, ob ihr seine Herkunft bekannt sei.
»Sie kamen aus dem Balkan hierher. Das genaue Land kann ich Ihnen nicht nennen.«
»Es ist auch unwichtig. Mir geht es um ihn, denn er muss vernichtet werden.«
Wieder schaute sie mich an. »Nur er?«
»Zunächst.«
»Und was ist mit den vier verschwundenen Frauen?«
Da hatte sie natürlich einen wunden Punkt getroffen. Sie sah, wie ich mich quälte und bat darum, dass ich ihr die Wahrheit sagte oder zumindest, was ich dachte.
»Wenn Rusko erwacht ist, wenn man ihn befreit hat, wer immer das auch tat, dann muss man davon ausgehen, dass dieser Blutsauger sich seine Kraft von denjenigen Menschen geholt hat, die ihn befreit haben. Deshalb rechne ich damit, dass Jessica
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