Die Blutgruft
die Antworten erhalten, die Sie erwarten.«
»Trotzdem möchte ich es auf einen Versuch ankommen lassen.«
Mrs. Graham schaute mich an und atmete tief ein. »Sie lassen nicht locker, wie?«
»Es geht um einiges, wenn Sie verstehen.«
»Das zwar nicht, aber ich möchte mich der Polizei auch nicht in den Weg stellen.«
»Das ist löblich.«
»Aber nur Sie sprechen mit ihr, Mr. Sinclair.«
»Ist mir schon recht.«
Es war Abe Douglas anzusehen, dass es ihm nicht gefiel. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, sah dann mein Kopfschütteln und schluckte seinen Protest.
»Gut, Mr. Sinclair, dann folgen Sie mir bitte in die Krankenstation unseres Hauses.«
»Viel Glück«, flüsterte mir Abe Douglas zu, als ich an ihm vorbeiging.
»Geht klar.«
Die Schönheit der Frühlingswelt verschwand, als wir durch eine Seitentür am Ende des Flures gingen und die Krankenstation betraten. Auch sie war hell und freundlich angestrichen. Manche Zimmertüren standen offen. Das Licht aus den Räumen drang in den Flur hinein, aber hier lag doch dieses Flair des Abschiednehmens über allem. Man konnte spüren, dass das Leben kurz vor seinem Ende angekommen war und nicht mehr alle Menschen diese Station verließen.
Ein Arzt nickte uns zu. Zwei Krankenschwestern schoben einen kranken Mann in seinem Bett liegend aus einem Zimmer, und als ich die Helferinnen sah, musste ich unwillkürlich an die verschwundenen Frauen denken, die im gleichen Alter gewesen waren.
Es gab noch einen Quergang. Er zweigte nach links ab und war mehr eine lange Nische. Drei Türen gab es hier. Zwei lagen sich gegenüber. Die dritte befand sich an der Stirnseite, und auf sie deutete Mrs. Graham.
»Dort müssen wir hin.«
»Danke, dann...«
»Moment, Mr. Sinclair, das übernehme ich. Es ist besser, wenn ich Elisa auf Ihren Besuch vorbereite.«
»Wie Sie wollen.«
»Dann warten Sie hier.«
Das tat ich zwar nicht gern, aber ich fügte mich.
Mrs. Graham verschwand im Krankenzimmer. Sie hatte die Tür sehr leise aufgezogen und sie ebenso leise wieder geschlossen. Ich blieb in der halbdunklen Nische zurück.
Gern hätte ich gewusst, was die beiden miteinander sprachen. Möglicherweise gab es Geheimnisse, die sie miteinander teilten und die keinem Dritten gesagt werden sollten, denn oft täuschte das äußere Bild. Vielleicht lauerten auch hinter dieser Fassade böse Geheimnisse.
Ich brauchte nicht lange zu warten. Mrs. Graham kehrte schnell wieder zurück. Ich versuchte an ihrem Gesicht abzulesen, was sie dachte, aber es blieb recht ausdruckslos.
»Und?«
Sie nickte. »Es ist schon okay. Sie können mit ihr sprechen, aber bitte nicht zu lange.«
»Nein, nein, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Ich könnte bei Ihnen bleiben, Mr. Sinclair.«
»Das ist nicht nötig. Außerdem geht es um polizeiliche Ermittlungen. Auch Sie möchten doch sicherlich, dass endlich Klarheit in den Fall der verschwundenen Frauen kommt.«
»Da sagen Sie was.«
Ich war froh, endlich freie Bahn zu haben und betrat ebenso leise wie zuvor Mrs. Graham das Krankenzimmer...
***
Es war ein kleiner Raum. Er reichte aus, um ein Bett aufzunehmen. Elisa Bancroft war an keine Geräte angeschlossen, und sie bekam auch keine Injektionen. Sie lag in ihrem Bett wie eine kranke Person, die das Schlimmste hinter sich hatte und sich jetzt ausruhen sollte.
Dass draußen die Sonne schien, bekam sie nur in Teilen oder besser gesagt in Streifen mit. Sie breiteten sich auf dem Boden aus und waren eine Folge des Rollos, denn es filterte das Licht.
Es gab einen Stuhl, den ich leicht anhob und mit an das Bett der Kranken nahm.
Ich setzte mich. Auf der Konsole stand nur eine Flasche Wasser. Daneben ein halb gefülltes Glas. Beide schauten wir uns an, und ich wich dem Blick der alten Frau nicht aus, die mich sehr intensiv musterte.
Es waren die Augen, die ich so bemerkenswert fand. Sie schauten hell und klar. Früher konnten sie mal sehr blau gewesen sein, jetzt wirkten sie grauer und fielen schon in ihrem sehr vom Alter gezeichneten Gesicht auf.
Es kam mir sehr klein vor. Die Haut war dünn geworden. Aber es gab kaum Falten darin. Nur um die Mundwinkel herum und um die Augen hatten sich einige gebildet. Einige Male zuckten die Lippen. Ich konnte mir vorstellen, dass Elisa so etwas wie ein Lächeln andeuten wollte.
»Mein Name ist John Sinclair«, sagte ich mit halblauter Stimme. »Und ich möchte gern mit Ihnen sprechen, weil ich erfahren habe, dass Sie jemand sind, der sich hier in
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