Die blutige Arena
letzten Worte. Der Gefährte des Toten kehrte nach Sevilla zurück. Wochenlang verfolgten ihn jene glasigen Augen und hörte er diese Abschiedsworte. Er fürchtete sich. Eine zahme Kuh, die sich ihm näherte, veranlaßte ihn, fortzulaufen. Er dachte an seine Mutter und ihre klugen Ratschläge. War es nicht besser, Schuster zu werden und friedlich zu leben? Doch diese Anwandlungen dauerten nur so lange, als er allein war.
Nach seiner Rückkehr nach Sevilla machte sich der Einfluß der Umgebung lindernd bemerkbar. Seine Freunde überliefen ihn, um alle Einzelheiten über den Tod des armen Chiripa zu vernehmen. Die Toreros luden ihn in die Campana ein, wo sie mitleidig von dem Straßenjungen mit dem schmalen Gesicht sprachen, der sie so oft begrüßt hatte. Ermutigt durch solche Beweise der Achtung ließ Juan seiner Einbildungskraft freien Lauf, er erzählte, wie er sich auf den Stier gestürzt hatte, als er seinen Kameraden auf den Hörnern sah, wie er die Bestie am Schweife gezerrt habe, ohne daß er jedoch dem Kameraden hätte helfen können.
Langsam verblaßte das Schreckensbild, er hatte wieder nur ein Ziel vor sich, Torero zu werden. Andere waren es schon, warum sollte gerade er nicht so hoch hinauf kommen? Er dachte an die Bohnen und das harte Brot im Hause seiner Mutter, an die Auftritte, wenn er eine neue Hose brauchte, an den Hunger, den steten Begleiter seiner Fahrten. Er fühlte eine heftige Begierde nach allen Freuden und Vergnügungendes Daseins. Er schaute voll Neid nach den Wagen und Reitern aus, er versteckte sich am Eingang der großen Häuser, wo er Zimmer voll Glanz und Reichtum, Säulengänge mit Porzellanfliesen, Marmorpflaster und Springbrunnen sah. Sein Los war gefallen, er mußte entweder Torero werden oder sterben. Er wollte reich sein, die Zeitungen sollten von ihm sprechen, das Volk ihn grüßen, und wenn es auch das Leben kostete. Er verachtete die niedrigen Grade des Stierfechterberufes. Es sah, wie die Banderillos um 30 Duros ihr Leben gerade so aufs Spiel setzten wie die Toreros, er wußte, daß sie bei einem Leben voll Mühsal und Wunden alt wurden, ohne mehr für ihre Zukunft zu erhoffen, als sich mit dem ersparten Geld einen kleinen Laden kaufen zu können. Einige starben im Spital, die meisten baten ihre jüngeren Kameraden um ein Almosen. Er dachte nicht daran, diesen Weg zu gehen und Jahre als Banderillo in der Cuadrilla eines launenhaften Espada zuzubringen. Er wollte gleich Stiere töten und die Arena mit dem Degen betreten.
Das Unglück des armen Chiripa und seine von ihm erdichtete Rolle verlieh ihm unter seinen Kameraden einen gewissen Nimbus und er stellte sich eine Cuadrilla aus zerlumpten Kerlen zusammen, welche mit ihm zu den Stierkämpfen in die kleinen Ortschaften zogen. Sie folgten ihm, weil er der Kräftigste war und die schönsten Kleider trug. Einige Mädchen freieren Lebenswandels, welche von der stattlichen Erscheinung Juans, der damals achtzehn Jahre alt war, angezogen wurden, stritten sich um die Ehre, für seine Person zu sorgen. Außerdem rechnete er auf die Hilfe einesalten Taufpaten, der für junge Toreros eine Schwäche hatte und dessen Haltung Frau Angustias derart in die Wut brachte, daß sie ihn mit den lästerlichsten Schimpfworten, die sie seinerzeit in der Tabakfabrik gelernt hatte, bedachte.
Juan trug Kleider aus englischem Stoff, die ihm vortrefflich standen, seine Frauen sorgten für die Reinheit der Wäsche und manchmal zeigte er über der Weste eine goldene Kette, welche er sich von einem Freunde ausgeliehen hatte. Er tat es den Toreros gleich, er zahlte die Zeche der Gäste, welche die Taten berühmter Stierfechter erzählten, und man glaubte, daß einflußreiche Gönner hinter diesem Burschen standen und nur auf die Gelegenheit warteten, ihn auf der Plaza de Sevilla auftreten zu lassen. Er hatte schon den Anfang gemacht, denn eines Tages, waren ihm in Lebriza, als gerade ein feuriger Stier in die Schranken sprang, seine Kameraden mit der Frage entgegengetreten: »Traust du dich, den da anzugehen?« Und er traute sich. Kühn gemacht durch die Leichtigkeit, mit welcher er die Todesfurcht überwunden hatte, lief er zu allen Veranstaltungen, in denen man junge Stiere auftreten ließ. Der Ruf seiner Taten kam bis nach Sevilla und machte die Leute, welche nach neuen Größen ausspähten, auf ihn aufmerksam. »Der Junge scheint etwas zu versprechen,« sagten sie, wenn sie ihn langsamen Schrittes und arroganter Haltung in der Sierpesstraße auf und
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