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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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ihren Geschäften nachgehen mußte, gern oder ungern ließ. In der Campana, dem Treffpunkt der Stierkämpfer, wo man alle Neuigkeiten erfuhr, hörte er von seinen Kameraden Mitteilungen, welche ihm das Blut vor Freude heftiger durch die Adern trieben. »Höre, Schuster, morgen ist ein Stierkampf.« Die Dörfer und größeren Flecken der Provinz feiern die Feste der Heiligen durch eine Corrida und dahin eilten nun die jüngeren Toreros in der Hoffnung, sagen zu können, in Aznalcollar, Bollulos oder Mairena aufgetreten zu sein. Sie begannen ihren Marsch in der Nacht und trugen, wenn es Frühling war, ihren Mantel auf der Schulter, im Winter dagegen schlugen sie sich ihn um den Körper und nun ging es mit leeren Magen und unter ernstem Gespräche dem Ziele zu. Dauerte der Marsch mehrere Tage, schliefen sie unter freiem Himmel oder durften aus Barmherzigkeit in einer Strohkiste übernachten. Und die süßen Trauben, die Melonen und Feigen, die sie in der warmen Zeit auf ihren Märschen fanden, gewährten ihnen eine billige Mahlzeit. Ihre einzige Sorge bestand in der Befürchtung, daß eine andere Truppe den gleichen Gedanken gefaßt hatte und sich in dem betreffenden Orte einfand, so daß auf diese Weise ein erbitterter Kampf zu befürchten wäre. Am Ziele ihrer Reise gingen sie mit verstaubtem Gesicht, müde und heruntergekommen vom langen Marsche, zum Bürgermeister, und der Frechste von ihnen, der sich als Direktor der Truppe einführte, sprach von dem Verdienste seiner Leute. Sie würden sich alle glücklich schätzen, wenn die Gemeinde sie in ihrerFreigebigkeit im Hofe des Wirtshauses schlafen und ihnen allen einen Topf mit Olla geben ließe. Und dieser Topf stand wenige Augenblicke nachher reingeputzt da. Auf dem Kampfplatze, der von Karren und Tribünen umgeben war, wartete ihrer ein alter, mit Narben und blutigem Schorf bedeckter Stier, der, wie seine spitzigen Hörner kundtaten, schon seit vielen Jahren an solchen Provinzveranstaltungen teilnahm und, wie sie sagten, sein Latein verstand, denn da er beständig im Zirkus herumgehetzt wurde, kannte er alle Kniffe.
    Die Ortsjugend foppte die Tiere aus sicherer Entfernung und die Leute suchten bei den Toreros aus Sevilla auf ihre Kosten zu kommen. Flüchtete sich einer von ihnen auf die Barriere, da kam es zu Empörung und lärmendem Geschrei, die Zuschauer schlugen ihn auf die Finger und traktierten seine Füße mit Stockschlägen, um ihn wieder in den Zirkus zurückzujagen. »Vorwärts, Feigling, zu den Stieren!« Manchmal trugen sie einen Stierfechter zwischen vier Männern vom Platz, bleich, wie ein Blatt Papier, mit glasigen Augen und herabhängendem Kopf, mit röchelnder Brust, die den Atem wie ein zerbrochener Blasebalg ausstieß. Dann kam der Tierarzt und beruhigte die anderen, da er kein Blut sah. Es war nur der Schreck, da der Bursche über einige Meter hingeschleudert wurde und dann wie ein Sack auf den Boden gefallen war; ein andermal war wieder ein Stier mit seiner ganzen Schwere über einen anderen hinweggetrampelt. In diesem Falle schüttete man einen Kübel Wasser über seinen Kopf und wenn er die Augen aufschlug, flößte man ihm einen tüchtigen Schluck Branntwein ein. Ein Fürst konnte nicht besser behandelt werden.
    Dann ging es wieder in die Arena, und wenn kein Stier mehr da war und sich die Nacht näherte, nahmen zwei aus der Schar den besten Mantel der ganzen Gesellschaft und gingen von Tribüne zu Tribüne, um klingenden Dank zu ernten. Es regnete Kupfermünzen auf das rote Tuch, je nachdem die Taten Beifall gefunden hatten. Nach Beendigung des Spiels zogen sie in die Stadt zurück, da sie wußten, im Wirtshaus ihren Kredit erschöpft zu haben. Oft stritten sie unterwegs über die Verteilung ihres Kupfergeldes, das sie in ein Tuch eingewickelt hatten. Nach ihrer Rückkehr erzählten sie dann den Kameraden, die nicht mithalten konnten, ihre Heldentaten in den verschiedenen Orten, wobei sie die Miene und die Haltung der wirklichen Toreros nachahmten, welche nur wenige Schritte von ihnen entfernt saßen und sich über ihre Verdienstlosigkeit mit allen möglichen Lügen und Aufschneidereien hinweghalfen.
    Manchmal wußte Frau Angustias oft über eine Woche nichts von ihrem Sohn. Dann vernahm sie gerüchtweise, daß er in einem Dorfe, das Tocina hieß, verwundet worden sei. Wo lag nun dieser Ort und wie kam man hin? Sie hielt ihren Sohn für tot, beweinte ihn und machte sich bereit, hinzufahren, doch als sie alles vorbereitet hatte, sah sie ihren

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