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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Juan bleich und schwach zurückkommen, um mit männlichem Stolze über seinen Unfall zu sprechen. Es war nichts, nur ein Stoß, der mehrere Zentimeter tief in den Schenkel gegangen war. Und mit dem Stolz des Siegers wollte er den Nachbarn die Wunde zeigen, wobei er versicherte, einen Finger hineinstecken zu können, ohne auf den Grund zu kommen. Er fühlte sich voll Stolz über den Jodoformgeruch,den er bei jedem Schritt verbreitete, und sprach von der Pflege, die er dort genossen hatte. Alle hätten sich für sein Los interessiert. Der Bürgermeister hätte ihn besucht und ihm sogar die Rückreise bezahlt. Er fand in seiner Tasche noch zwei Duros, welche er seiner Mutter mit der Freigebigkeit und der Würde eines Gönners überreichte. Sein Stolz wuchs noch, als sich in der Campana, dem »Stelldichein« der Toreros, einige Stierkämpfer für den Knaben interessierten und ihn fragten, wie es mit seiner Verwundung stehe.
    Nach diesem Vorfall kehrte er nicht mehr in die Werkstätte seines Lehrherrn zurück. Er wußte nun, was die Stiere waren, und seine Verwundung hatte nur seinen Mut verdoppelt. Ihm schwebte nur mehr ein Ziel vor Augen: Torero zu werden! Frau Angustias verzichtete auf jeden Besserungsversuch, da sie alles für vergeblich ansah. Ihr Sohn existierte nicht mehr für sie. Kehrte er abends zur Stunde, wann Mutter und Tochter beim Nachtmahl zusammensaßen, nach Hause zurück, stellten sie ihm schweigend seine Schüssel hin und glaubten, ihn durch ihre Verachtung beeinflussen zu können. Doch das störte seine Kautätigkeit nicht im geringsten. Kam er später, hoben sie ihm nicht ein Stück trockenen Brotes auf und er mußte, so wie er gekommen war, auf die Straße zurück. Dann streifte er die Nacht mit anderen Taugenichtsen herum, welche teils bei Gaunern, teils bei Toreros in die Lehre gingen. Eine Zeit lang verkaufte er Zeitschriften und in der Karwoche bot er den Damen, die auf dem St. Franziskusplatze saßen, Zuckerwaren an. Zwischen den einzelnen Stierkämpfen lungerte ervor den Hotels herum und wartete auf einen Engländer, – denn für ihn waren alle Reisenden Engländer – in der Hoffnung, ihm als Führer dienen zu können.
    Sein Kamerad in diesen Tagen des Elends war Chiripa, ein kleiner Knabe mit boshaften Augen, eine Doppelwaise, der in Sevilla seit dem Augenblicke herumlief, als er den Gebrauch der Vernunft erlangt hatte: Er übte über Juan die Herrschaft eines Mannes aus, der einem anderen durch seine Erfahrungen überlegen ist. Seine Wange war von einem Hornstoß zerfetzt und Juan wertete dieses Mal höher als seine eigenen, unsichtbaren Narben. Und wenn ein Fremder, der das Lokalkolorit suchte, an der Türe seines Hotels mit den kleinen Toreros sprach und sie über ihre Taten ausfragte, um ihnen schließlich ein paar Münzen zu geben, da sagte Chiripa, auf Gallardo deutend, mit weinerlicher Stimme: »Er braucht nichts, er hat eine Mutter und ich bin allein auf der Welt. Er weiß gar nicht, was er an seiner Mutter hat.«
    Und übermannt von trauriger Rührung ließ es Juan zu, daß sich der andere des ganzen Geldes bemächtigte, ja, er murmelte noch: »Es ist wahr«. Diese Rührung aber hinderte Juan nicht, sein ungewöhnliches Leben fortzusetzen, immer unregelmäßiger in das Haus seiner Mutter zurückzukehren und lange Ausflüge über Sevilla hinaus zu unternehmen. Er war ein Meister des Landstreicherlebens. An Tagen, an denen Stiergefechte stattfanden, beseelte ihn nur ein Wunsch: Das Bestreben, in den Zirkus zu kommen. Dazu war ihm jedes Mittel recht, er überkletterte die Mauer, schlich sich mit anderen Leuten ein, oder erbettelte sich den Eintritt. Es war doch unmöglich, ein Stiergefecht ohne ihn abzuhalten. Chiripawar viel herumgekommen und er erzählte seinem Gefährten von all den großen Dingen, die er in fernen Provinzen gesehen hatte. Er verstand es sehr geschickt, umsonst, als blinder Passagier in den Zügen mitzufahren. Juan lauschte mit Entzücken seinen Beschreibungen von Madrid und der dortigen Plaza de Toros, welche sozusagen eine Hochschule der Stierfechterkunst war.
    Einmal sagte ihnen ein Herr, der sich über sie lustig machen wollte, daß sie in Bilbao viel Geld verdienen könnten, da es dort nicht so viel Toreros wie in Sevilla gebe. Und die zwei Burschen machten sich auf den Weg, ohne einen Duro in der Tasche zu haben, sie verschafften sich unter allen möglichen Listen Zutritt zu den Zügen, und versteckten sich unter den Sitzen. Doch der Hunger und andere

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