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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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verbrachte ganze Tagevor den Tribünen der Plätze, wo die Klubs ihre Dauersitzungen abhielten und Redner Tag und Nacht mit südlicher Beredsamkeit über die Gottheit Christi und die Preissteigerung der wichtigsten Lebensmittel sprachen, bis er endlich, als die Ruhe wieder hergestellt war, nach einem Streik als gefährlicher Aufwiegler bezeichnet und von allen Werkstätten ausgeschlossen wurde. Da ihm die Stiergefechte gefielen, wurde er mit 24 Jahren Torero. Er hatte schon viel mitgemacht und sprach deshalb mit Geringschätzung von der Gesellschaft. Man hörte nicht umsonst Jahre hindurch die Zeitungen predigen. Die Leute gaben ihm mit Rücksicht auf seine Vergangenheit, in der er mit der Waffe in der Hand für seine Anschauungen gefochten hatte, den Spitznamen »Der Nacional«.
    Er sprach mit einer Art Gewissensbisse über seinen Beruf, trotzdem er ihm schon so lange Jahre angehört hatte, und entschuldigte sich sogar, ihn auszuüben. »Ich weiß,« sagte er im Speisesaal Gallardo, »dass der Beruf der Toreros etwas Reaktionäres ist. Das Volk braucht die Kunst des Lesens und Schreibens wie einen Bissen Brot und soll sein Geld nicht für unsere Spiele ausgeben, während es keine Schulen hat. Geradeso schreiben auch die Zeitungen aus Madrid. Doch meine Parteigenossen schätzen mich und das Komitee hat mir erlaubt, trotz meiner Beschäftigung weiter der Partei anzugehören.«
    Seine bedächtige, unerschütterliche Ruhe, welche auch vor den ausgelassensten Späßen, mit denen Gallardo und seine Freunde solche Äußerungen beantworteten, stets die gleiche blieb, zeigte bei solchen Gelegenheiten den Stolz über diese Ausnahme, mit welcher ihn seine Parteigenossengeehrt hatten. Das Bestreben, Anhänger zu gewinnen, veranlaßte ihn, seine Überzeugungen bei jedem Anlasse kundzugeben, ohne sich um die Spötteleien seiner Kameraden zu kümmern. Auch hier bewies er seinen gutmütigen Charakter, der sich niemals zu Ausfällen hinreißen ließ. Für ihn waren alle, welche dem Schicksal des Landes gegenüber teilnahmslos blieben und nicht seiner Partei angehörten »arme Opfer der nationalen Unwissenheit«. Die Rettung bestand darin, daß die Leute lesen und schreiben lernen sollten. Er für seinen Teil verzichtete bescheiden auf diese Regeneration, da er es schon zu beschwerlich fand, sich mit dem Lernen abzugeben. Doch machte er die ganze Welt für seine Unwissenheit verantwortlich.
    Wenn im Frühling die neue Cuadrilla von einer Stadt in die andere fuhr und Gallardo zu seinen Leuten in die zweite Klasse einstieg, da geschah es nicht selten, daß sich ein Landpfarrer oder ein paar Ordensgeistliche zu ihnen gesellten. Die Banderillos stießen sich heimlich an und zwinkerten mit den Augen, wobei sie den Nacional anschauten, der in Gegenwart des Feindes noch ernster und zurückhaltender schien. Einige Kameraden fingen an, ihn leise aufzuhetzen. Doch Gallardo runzelte mit all seiner Autorität als Führer, der keinen Widerspruch verträgt, die Augenbrauen und der Nacional bezwang sich gehorsam. Doch stärker als das Gefühl der Unterwürfigkeit brannte in seinem Herzen der Wunsch, Anhänger zu gewinnen. Und es genügte ein unbedeutendes Wort, daß er in das Gespräch der Reisenden eingriff, um sie zur Wahrheit zu bekehren. Diese bestand bei ihm aus allen möglichen konfusen Ideen, wie er sie im Laufeder Zeit von den Führern seiner Partei gehört hatte. Seine Kameraden schauten sich voll Bewunderung über das Wissen ihres Gefährten an und waren zufrieden, daß einer von ihnen den studierten Leuten entgegentreten und sie in die Enge treiben konnte. Die Geistlichen, welche über die gezwungenen Folgerungen und Schlüsse des Nacional und das zustimmende Lachen der anderen Toreros ganz betroffen waren, nahmen schließlich zu einem letzten Mittel ihre Zuflucht. Wie konnten denn Leute, welche ihr Leben so oft aufs Spiel setzten, nicht an Gott glauben oder sich solchen Anschauungen anschließen? Wie anders würden in solchen Stunden ihre Frauen und Mütter beten! Da wurden die Gesichter der anderen Toreros ernst, sie dachten an die geweihten Skapuliere und Medaillen, welche Frauenhände an ihr Galakleid genäht hatten, ehe sie Sevilla verließen. Selbst Gallardo, dessen schlummernder Aberglaube durch solche Worte geweckt wurde, wandte sich zornig gegen seinen Gefährten, als ob er in dessen Ungläubigkeit eine Gefahr für sein eigenes Leben sehe. »Sei ruhig und laß diese albernen Bemerkungen! – Sie verzeihen schon, er ist ein guter

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