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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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die Steine stolpert und unter dem Gewichte des Kreuzes zu Boden fällt, schien die arme Frau zu trösten. »Der Allmächtige!« Dieser unbestimmte und großartige Beiname beruhigte sie. Sie stammelte ihre Gebete so schnell wie möglich herunter, um ihre Bitten in recht viel Worte zu kleiden, und war sicher, daß Juan die Arena, in welcher er damals stand, heil und unverletzt verlassen würde. Dann wieder gab sie einem Sakristan Geld, er zündete Kerzen an und sie verbrachte Stunden damit, die roten Zungen und ihren Reflex auf dem Gnadenbild zu betrachten, wobei sie in ihrem flackernden Schein, im Wechsel von Licht und Schatten bald ein tröstendes Lächeln, oder ein verheißungsvolles Nicken, welches Glück für die Zukunft bedeutete, zu sehen glaubte. El Señor del gran Poder täuschte sie nicht. Als sie nachHause kam, fand sie das Telegramm, das sie mit zitternden Händen öffnete. Es enthielt nur die wenigen Worte: »Alles gut vorüber.« – Nun konnte sie aufatmen, wieder schlafen, wie der Gefangene, der plötzlich begnadigt wurde, doch nach einigen Tagen begann die schreckliche Tortur der Ungewißheit von neuem.
    Trotz ihrer Liebe zu Juan hatte Carmen Augenblicke der Auflehnung. Wenn sie vor ihrer Heirat gewußt hätte, was sie für ein Leben erwarte – dann ... In solchen Augenblicken suchte sie, als ob sie der Schmerz zu ihresgleichen triebe, die Frauen der anderen Toreros auf, welche ihren Mann begleiteten, ob sie ihr eine Nachricht geben könnten. Die Frau des Nacional, welche einen Laden im gleichen Bezirk hatte, empfing sie freundlich und verscheuchte ihre Angst. Sie war an dieses Leben schon gewöhnt, ihrem Manne mußte es gut gehen, da er kein Telegramm schickte. Denn diese sind gar teuer und ein Banderillo verdient wenig. Wenn die Zeitungsverkäufer nicht schon den Titel einer alarmierenden Nachricht ausriefen, dann wußte sie, daß alles in Ordnung war. Und sie versah den Dienst in ihrem Laden, als ob überhaupt nichts geschehen könnte.
    Oft ging Carmen zur Frau des Picador Potaje, welche in einem anderen Bezirk wohnte. Diese war immer stolz über den Besuch, den ihr die Frau des Patrons machte, doch die Befürchtungen Carmens entlockten ihr nur ein Lächeln. Es gab gar keinen Anlaß zur Furcht. Die Stierkämpfer, welche dem Tiere zu Fuß entgegentraten, konnten sich ja immer frei machen und Juan Gallardo hatte viel zu viel Glück, um sich erwischen zu lassen. Der Stier selbst tötete ja nurwenig Leute, das Furchtbarste war der Fall der Pferde. Man wußte ja, was einem Picador nach all seinen Quetschungen und Verwundungen bevorstand. Fast jeder, der nicht früher infolge eines unvorhergesehenen Unglückes starb, wurde schließlich verrückt. So würde auch ihr armer Potaje enden. Und all das nur für eine Hand voll Duros, während andere... Sie sprach den Satz nicht aus, aber ihre Augen enthüllten deutlich den Protest gegen die Ungerechtigkeit des Schicksals, daß jene, welche mit dem Degen in der Hand sich brausenden Beifall, Ruhm und Geld erwarben, dies unter geringeren Gefahren taten als ihre unbeachteteren Kameraden.
    Langsam gewöhnte sich Carmen an ihr neues Leben. Sie nahm das furchtbare Warten am Tage der Stierkämpfe, ihre Kirchenbesuche, ihre abergläubischen Wahnvorstellungen so hin, als wenn es Notwendigkeiten ihrer Existenz wären. Schließlich machten sie die fortwährenden Gespräche ihrer Umgebung und nicht zuletzt das andauernde Glück ihres Mannes mit der Gefahr vertraut. Sie selbst ging niemals zu einem Stiergefecht. Seitdem sie nach ihrer Verlobung gesehen hatte, was dort für Gefahren drohten, hatte sie die Arena nicht mehr betreten.
    Nach dreijähriger Ehe hatte der Torero das Mißgeschick, in Valencia von einem Hornstoß getroffen zu werden. Carmen wäre beinahe gestorben. Das Telegramm kam wie gewöhnlich mit der Botschaft »Alles wohlauf!« Don Jose unterzog sich dem Werke der Nächstenliebe, sie jeden Tag zu besuchen und sie durch alle möglichen Listen davon abzuhalten, die Zeitungen zu lesen. Als aber Carmen durch die Geschwätzigkeit der Nachbarn den Vorfall erfuhr, wollte siesogleich den Zug besteigen und zu ihrem Manne eilen, weil sie glaubte, er sei ohne Pflege. Doch war es nicht notwendig. Gallardo kam früher als sie abreiste, bleich noch infolge des Blutverlustes und durch die Wunde an einem Bein zur Untätigkeit verdammt, jedoch heiter und guten Mutes, um seine Familie zu beruhigen. Das Haus wurde nachher eine Art Wallfahrtsort. Hunderte von Personen kamen, um

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