Die blutige Arena
dieser Periode am meisten freute, war das ruhige Leben zu Hause, frei von den fortwährenden Reisen in den Zügen. Der Kampf mit hundert Stieren, mit all seinen Gefahren und Ermüdungen nahm ihn nicht so her, wie das monatelange Fahren von einem Ort Spaniens in den anderen. Er reiste da im Frühling unter einer drückenden Hitze in alten Waggons, deren Dächer zu glühen schienen. Der Wasserkrug, der in jeder Station neu gefüllt wurde, reichte nicht hin, den Durst seiner Gefährten zu stillen. Außerdem waren die Züge überfüllt von Leuten, welche zu den Veranstaltungen in die Städte fuhren und die Stierkämpfe sehen wollten. Oft eilte Gallardo, in der Furcht, seinen Zug zu versäumen, noch im Torerokostüm zur Station, wo er wie ein Meteor von Licht und Farben unter den Reisenden hervorstach. Unter den bewundernden Blicken der anderen, die zufrieden waren, mit solch einer Berühmtheit zu fahren, stieg er dann in ein Abteil I. Klasse und schlief die Nacht hindurch auf den Kissen, während sich seine Reisegefährten zusammendrückten, um ihm so viel als möglich, Platz zu lassen. Alle achteten seine Ruhe, weil sie daran dachten, daß er ihnen am nächsten Tag mit Gefahr seines eigenen Lebens das Vergnügen eines Nervenkitzelsverschaffen würde. Wenn er ganz gerädert in eine Stadt kam, wo er auftreten sollte, da verspürte er auch die Nachteile der enthusiastischen Bewunderung. Seine Anhänger und Verehrer erwarteten ihn am Bahnhof und begleiteten ihn zu seinem Hotel. Sie waren ausgeschlafen und voll Fröhlichkeit und setzten voraus, ihn in gleicher Verfassung zu finden, denn sie glaubten, daß er beim Zusammentreffen mit ihnen ein außergewöhnliches Vergnügen empfinden würde. Oft mußte er nicht nur einmal auftreten, denn die Corrida dauerte drei bis vier Tage. Da setzte sich Gallardo dann am Abend, überwältigt von Müdigkeit und den verflossenen Aufregungen, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Regeln in Hemdärmeln vor die Tür des Hotels, um sich an der frischen Luft zu erfreuen. Die Kameraden der Cuadrilla, welche im gleichen Gasthofe untergebracht waren, blieben bei ihm, als wären sie durch ein stillschweigendes Übereinkommen dazu verpflichtet. Manchmal erbat sich einer die Erlaubnis, durch die Straßen zu bummeln oder einen Zirkus in Augenschein zu nehmen. Wenn sie nach getaner Arbeit einige Tage bis zum nächsten Auftreten frei waren, dann verzögerte die Cuadrilla den Aufbruch. Nun begannen, fern von der Familie, die Schwelgereien mit Wein und Weibern in der Gesellschaft ihrer begeisterten Anhänger, die sich das Leben ihrer Helden nur auf diese Weise vorstellen konnten. Die verschiedenen Daten der Veranstaltungen zwangen den Torero oft zu unsinnigen Fahrten. Er reiste von einer Stadt weg, um sich in eine andere am Ende Spaniens zu begeben. Und vier Tage später mußte er wieder zurück, um in der Nähe der ersten aufzutreten. Das Frühjahr, in welchem die meisten Stiergefechtestattfanden, verbrachte er sozusagen nur im Zuge in einem fortwährenden Hin und Her auf den Eisenbahnen, um am Tage Stiere zu erlegen und in der Nacht im Zuge zu schlafen. »Wenn man die Strecken«, sagte Gallardo, »die ich im Frühjahr durchfahre, zusammenlegte, käme man bis zum Nordpol.«
Die erste Reise am Beginn der Saison bedeutete ihm freudige Spannung, denn er dachte an das Publikum, welches von ihm das ganze Jahr sprach und sich auf seine Ankunft freute. Er dachte voll Vergnügen an allerlei unerwartete Zusammentreffen, an Abenteuer, die ihm die weibliche Neugierde einbringen würde. Er war schon in der Erwartung des Hotellebens, mit seinen Aufregungen und Beschwerden, ein Leben, das zu seinem ruhigen Dasein in Sevilla und den Tagen der ländlicher Einsamkeit auf La Rinconada im schärfsten Gegensatze stand. Doch während dieser wenigen Wochen seines Zigeunerlebens, in denen er 5000 Peseta für jedes Auftreten erhielt, begann Gallardo wie ein Kind über sein Alleinsein zu klagen. Er vergaß Sevilla nur in den Nächten vor den Tagen, an welchen er keine Stiere zu erlegen hatte. Dann ging die ganze Cuadrilla, umgeben von ihren Freunden, die ihnen ein gutes Andenken von der Stadt mitgeben wollten, in ein Konzertkaffee, wo die Frauen und Tänzerinnen nur für den Meister da waren. Wenn er dann nach Hause zurückkehrte, um sich während des restlichen Jahres zu erholen, fühlte Gallardo die Befriedigung eines Fürsten, der, auf seine Ehren verzichtend, sich am Alltagsleben erfreut.
Er schlief bis spät in den
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