Die blutige Arena
Olivenwälder, welche er dieses Jahr kaufte, wurden für fremdes Geld erstanden. Fast alles, was er in nächster Zeit verdienen wird, muß herhalten, um Schulden zu bezahlen. Und wenn ihm nun ein Unglück zustößt, wenn er plötzlich, wie so viele andere, vor der Notwendigkeit stünde, seinen Beruf aufgeben zu müssen? ... Sogar mich will er ummodeln. Ihr wißt, daß er, ehe Doña Sol ihn kannte, seine Mutter und mich mit unserem Schleier und unserem Hauskleid, wie alle Einheimischen, herumgehen ließ. Nun hat er mich gezwungen, diese Hüte aus Madrid zu tragen, welche mir, ich weiß es, schlecht stehen, so daß ich wie ein Affe darin aussehe. Und die Mantilla ist doch so schön ... Dann hat er diesen Teufelswagen, das Automobil, gekauft, in welches ich mich nur mit Angst setze und das wie dieHölle stinkt. Wäre es nach ihm gegangen, so hätte er neulich der alten Mutter sogar einen Hut mit Hahnenfedern aufgesetzt. Er ist ein Prahler, der an die anderen denkt und uns alles nachmachen läßt, um sich seiner Leute nicht schämen zu müssen.«
Der Banderillo protestierte energisch. Oh nein, Juan war ein guter Kerl und tat das alles nur, weil er seine Familie lieb hatte und ihr Luxus und Bequemlichkeit schaffen wollte.
»Juan sei, wie er wolle, Frau Carmen, doch Ihr müßt ihm etwas zu Gute halten ... Schaut, wie viele Frauen sterben vor Neid, wenn sie Euch sehen. Ist das nichts, die Frau des berühmtesten aller Stierkämpfer zu sein, Geld in Überfluß zu haben, dazu dieses schmucke Haus und außerdem über alles verfügen zu können, da Euch der Herr nach freiem Ermessen schalten und walten läßt?«
Carmens Augen wurden feucht und sie hob das Taschentuch empor, um die Tränen zurückzuhalten.
»Ich will lieber die Frau eines Flickschusters sein. Wie oft habe ich daran gedacht: Hätte Juan nur sein Handwerk gelernt, statt diesen elenden Beruf zu ergreifen. Ich wäre glücklicher, wenn ich ihm sein Essen in einem ärmlichen Tuch in den Laden bringen könnte, wo er wie sein Vater arbeitete. Er würde keine Liebschaften haben, sondern mir allein gehören, wir müßten wohl sparen, aber am Sonntag könnten wir in ein Wirtshaus gehen. Ach, der Schreck, den mir diese verfluchten Stiere einjagen. Das ist ja kein Leben. Ja, er verdient viel Geld, aber glaubt mir, Sebastian, für mich ist es, als wenn Gift in dies Haus käme, und je mehr icherhalte, umso schrecklicher ist es mir, umso mehr erstarrt mir das Blut in den Adern. Für wen kauft er den Putz und all diesen Luxus? Man glaubt, daß ich glücklich bin, und man beneidet mich, doch meine Augen folgen den armen Weibern, die ihre Kinder auf den Armen tragen und allen Kummer und alle Sorgen vergessen, wenn sie mit ihren Kleinen lachen und scherzen... Ach, die Kleinen! Ich weiß wohl, was mein Unglück ist. Ja, wenn wir Kinder hätten, wenn Juan ein eigenes Kind im Hause sähe.«
Carmen schluchzte, aus den Falten des Taschentuches rollten langsam die Tränen herunter und netzten ihre vom Weinen roten Wangen. Es war der Schmerz der unfruchtbaren Frau, welche mit jedem Atemzug die glücklicheren Mütter beneidete, aus ihr sprach die Verzweiflung der Gattin, welche sieht, wie der Gatte sich ihr entfremdet, die alle möglichen Ursachen zu beargwöhnen scheint, im Grunde ihres Herzens aber der eigenen Unfruchtbarkeit die Schuld gibt. Oh, hätte sie nur einen Sohn, der sie zusammenbrächte... Und Carmen, welche durch die vergangenen Jahre über die Nutzlosigkeit ihrer Wünsche und Hoffnungen belehrt worden war, bäumte sich gegen ihr Geschick auf und blickte voll Neid auf ihren schweigenden Gast, dem die Natur die Kinder geschenkt hatte, welche sie selbst so sehnsüchtig wünschte.
Der Banderillo ging traurig weg und suchte seinen Herrn auf, den er vor der Tür des Klublokals der »Fünfundvierzig« fand.
»Juan, ich habe deine Frau gesehen. Es wird immer schlimmer mit ihr und du sollst sie besänftigen, dich mit ihr versöhnen.«
»Zum Teufel! Das ist ja kein Leben mehr, wollte Gott, daß mich am Sonntag ein Stier erwische. Denn jetzt ...«
Er war ein bißchen berauscht. Die stumme Auflehnung, welche er in seinem Hause fühlte, brachte ihn zur Raserei und noch mehr, obgleich er es niemand gestand, jene Flucht der Doña Sol, welche, ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Zeile zu hinterlassen, abgereist war. Man hatte ihn wie einen Bettler von der Türe gewiesen. Niemand wußte, wo sie war. Der Marquis hatte sich um die Reise seiner Nichte nicht gekümmert, sie würde schon
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