Die blutige Arena
Angriffes zu verlieren, erkannte er viele Anhänger aus dem Volke, die er sich schon entfremdet hatte und welche ihm nun aufs neue zujubelten.
Gallardo wandte leicht den Kopf zur Seite, um Plumitaszu begrüßen, der ihm mit seinem Mondscheingesicht über den aufgelümmelten Armen freundlich zulächelte. »Für Euch, mein Kamerad.«
Er wollte sich mit dem Degen zu dem entscheidenden Stoße nach vorwärts beugen, doch im gleichen Augenblicke glaubte er, daß die Erde zitterte und der Zirkus nach unten versank, während alles um ihn schwarz wurde. Sein Körper, von oben bis unten erschüttert, schien bersten zu wollen. Der Kopf dröhnte, als würde er zerspringen. Eine Todesangst drückte ihm die Brust zusammen ... und er versank, ohne Widerstand leisten zu wollen, in eine schwarze, unergründliche Nacht.
Der Stier war im selben Augenblick, als Juan zum Angriff übergehen wollte, gegen ihn losgestürzt, um nochmals das Pferd, das hinter Gallardo lag, zu zerfleischen. Es war ein furchtbarer Zusammenstoß und der in Gold und Seide glänzende Körper rollte in der nächsten Sekunde unter die Füße des wildgewordenen Stieres. Dieser hatte ihn nicht mit der Spitze der Hörner getroffen, aber dennoch war der Zusammenprall fürchterlich, denn Kopf und Hörner, die stärksten Stoßflächen des Stieres, schleuderten den Torero wie eine leichte Feder auf die Erde.
Die Bestie, welche es nur auf das Pferd abgesehen hatte, spürte plötzlich ein Hindernis zwischen den Füßen und ließ ihre Wut an der glänzenden Puppe aus, die nun unbeweglich im Sande lag. Ein Horn hob das leblose Bündel in die Höhe, schüttelte es hin und her und ließ es nach einigen Schritten fallen, worauf sich dasselbe Spiel nochmals wiederholte.
Entsetzt über die Schnelligkeit, mit der alles geschehenwar, blieben die Zuschauer wie unter der Last eines Zentnergewichtes atemlos, ohne einen Laut auszustoßen, sitzen. Diesmal mußte er daran glauben! – Plötzlich durchbrach ein Schrei des Publikums dieses angstvolle Schweigen. Ein roter Mantel, von zwei unerschrockenen Armen gehalten, wurde zwischen die Bestie und ihr Opfer geworfen, um den Stier noch im letzten Augenblicke abzulenken. Es war der Nacional, der, ungeachtet dieser furchtbaren Gefahr, vor den Stier gesprungen war, um diesen an sich zu ziehen und seinen Herrn zu retten. Tatsächlich ging das Tier auf ihn los und ließ den Gestürzten unbeachtet. Der Banderillo lief mit dem Mantel vor den Hörnern des Stieres hin und her, ohne zu wissen, wie er sich aus dieser gefahrvollen Lage befreien würde, jedoch zufrieden, seinen Herrn vor neuen Angriffen gerettet zu haben.
Das Publikum vergaß über den Ernst dieses Augenblickes fast ganz den Torero. Auch der Nacional mußte jede Sekunde fallen. Er konnte sich vor den Hörnern nicht mehr flüchten, der Stier hatte ihn sozusagen schon eingegabelt. Die Männer schrien, als könnten ihre Rufe dem Verfolgten helfen, die Frauen weinten vor Angst und verbargen ihr Gesicht in den Händen. Doch der Banderillo sprang im letzten Augenblicke, als der Stier schon den Kopf senkte, um ihn aufzuspießen, zur Seite, während das Tier mit dem Mantel auf den Hörnern blind weiterlief.
Die ausgestandene Aufregung machte sich in einem betäubenden Applaus Luft. Die Menge, welche noch im Banne der glücklich abgewendeten Gefahr stand, jubelte dem Nacional laut zu. Es war einer der schönsten Augenblicke seinesLebens. Das Publikum achtete bei diesem Beifall nicht einmal auf den leblosen Körper Gallardos, der im Sande lag, während sich die anderen Toreros und Angestellte des Zirkus um ihn bemühten.
Am Abend sprach man in der Stadt nur vom Sturze Gallardos. In vielen Städten wurden Extraausgaben veranstaltet und die Zeitungen von ganz Spanien berichteten ausführlich über das schreckliche Ereignis. Der Telegraph arbeitete gerade so, als wenn eine hervorragende Persönlichkeit das Opfer eines Anschlages geworden wäre.
In der Sierpesstraße erzählte man sich die übertriebensten Nachrichten. Der arme Gallardo war schon gestorben, derjenige, welcher diese traurige Nachricht erzählte, hatte ihn selbst im Krankenhause mit gefalteten Händen auf dem Totenbette gesehen. Andere brachten weniger alarmierende Botschaften. Er sei noch nicht gestorben, jedoch müsse man sein Ableben jeden Augenblick erwarten.
Wache hatte den Platz vor dem Zirkus umstellt, um die Menge abzuhalten, in das Innere des Gebäudes einzudringen. Die Wartenden baten alle Leute, welche aus dem
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