Die blutige Arena
des Stiergefechtes an der Barriere, von wo er geringschätzig auf seine Kameraden blickte, welche er im Gedanken beschuldigte, diese Mißstimmung inspiriert zu haben. Daneben verwünschte er den Stier und den Hirt, der ihn aufgezogen hatte. Er war so entschlossen gewesen, etwas Ungewöhnliches zu vollführen, und diese Bestie hatte ihm keine Gelegenheit gegeben, sich auszuzeichnen. Die Viehzüchter, welche solche Tiere in die Arena schickten, sollten alle geprügelt werden.
Als er das zweitemal antrat, befahl er dem Nacional und einem seiner Burschen, den Stier zu den Tribünen der Sonnenseite zu treiben. Eine Bewegung freudiger Überraschung begrüßte dieses Beginnen. Der Augenblick der größten Spannung, der Fall des Stieres, sollte sich diesmal hier und nicht, wie es gewöhnlich geschah, in weiter Entfernung abspielen.
Als der Stier so allein auf dieser Seite der Arena stand, stürzte er sich auf den Leichnam eines Pferdes. Er grub seine Hörner in den Bauch des Tieres und schleuderte es weit von sich. Der Kadaver fiel schwer zu Boden und der Stier blieb unschlüssig stehen, um sich dann nochmals auf die blutende Fleischmasse zu stürzen, die er von neuem mit seinen Hörnern bearbeitete, während das Publikum über diese sinnlose Hartnäckigkeit lachte. Doch plötzlich wandte sich alle Aufmerksamkeit Gallardo zu, der gemessenenSchrittes durch die Arena kam. Von allen Tribünen der Sonnenseite erscholl der Beifall, den das Kommen des Toreros ausgelöst hatte. Man winkte ihm von allen Seiten zu, ein jeder wollte, daß der Torero den Stier vor seiner Tribüne erlege, um ja keine Einzelheiten zu verlieren. Gallardo blieb unschlüssig vor den vielen Tausenden der Zurufenden stehen. Mit einem Fuß auf die Barriere gestützt, überlegte er, wo er den Stier am besten zu Boden brächte. Er mußte ihn mehr nach vorwärts locken. Doch behinderte ihn der Kadaver des Pferdes, das mit seinem klaffenden Bauch den Platz vor den Tribünen versperrte.
Er wollte gerade dem Nacional sagen, das Tier wegschaffen zu lassen, als er hinter seinem Rücken eine Stimme. vernahm, von der er nicht wußte, wem sie gehörte, die ihn aber veranlaßte, sich sofort umzudrehen. »Guten Abend, Señor Juan, wir werden jetzt Eurer Klinge applaudieren.« In der ersten Reihe der Zuschauer blickte ihm unter einer breiten, tief herabgezogenen Krempe ein feistes, frisch rasiertes Gesicht entgegen. Es schien ein Bauer aus einem Dorfe zu sein, doch Gallardo erkannte ihn sofort: es war Plumitas.
Er hatte sein Versprechen gehalten, Gallardo zu sehen, und saß nun ruhig unter diesen 12 000 Personen, welche ihn nicht kannten. Er grüßte den Torero, welcher eine gewisse Freude über diesen Beweis des Zutrauens empfand. Gallardo staunte über seine Kühnheit, nach Sevilla zu kommen, sich in den Zirkus zu setzen, all das nur, um ihn zu sehen. Von ihnen beiden war der Räuber der Mutigere. Er dachte an seinen Hof, der dem Plumitas ausgeliefert war, an den Landaufenthalt, der nur dann ungestört verlief, wenn er mit diesemMann gute Beziehungen unterhielt. Für ihn wollte er den Stier erlegen. Er lächelte dem Banditen zu, schwenkte die Mütze und rief, zur Menge gewandt, jedoch dem Räuber bedeutungsvoll in die Augen blickend, laut aus: »Euch zu Ehren.« Er warf die Kappe auf die Tribüne und aller Hände streckten sich wetteifernd aus, das Pfand zu erhaschen. Gallardo gab dem Nacional ein Zeichen, den Stier zu ihm zu treiben. Er streckte seine Muleta vor und das Tier eilte mit dumpfem Schnauben darauf los, doch glitt das Tuch durch eine geschickte Bewegung Gallardos über seine Hörner hinweg. »Bravo!« brüllte die Menge, welche schon wieder mit ihrem alten Liebling versöhnt war. Er ließ den Stier an sich vorüberschießen, während ihm die Menge zurief, vorsichtig zu sein. Sein Gegner durfte sich nicht zwischen ihn und die Barriere stellen. Der Rückzug mußte offen bleiben.
Der Stier war ungewöhnlich groß und vorsichtig, so daß er ihn nicht recht herankommen ließ. Außerdem kehrte er, als ob er durch den Blutgeruch des zerfleischten Pferdes angelockt würde, immer wieder zu dem Kadaver zurück.
Das Spiel mit der Muleta hatte Gallardo in eine etwas ungünstige Stellung gebracht. Das tote Pferd lag hinter ihm, während sein Gegner ruhig vor ihm stand. Er mußte diesen Augenblick benützen, auch das Publikum trieb ihn dazu an. Unter den Zuschauern, welche auf der Rampe standen und sich weit vorbeugten, um nur keine Einzelheiten des entscheidenden
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