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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Himmelskönigin leuchten zu sehen. Die Frauen verzichteten für diese Nacht auf ihre Ringe undfreuten sich, daß die Jungfrau ein Geschmeide tragen würde, das sonst ihr Stolz war. Die Zuschauer kannten diese Schmuckstücke, da sie sie alle Jahre sahen, und teilten sich ihre Wahrnehmungen mit, sobald sie neue bemerkten. Diesmal konnten sich die Blicke der Frauen kaum von zwei selten großen Perlen und einer Reihe von Ringen trennen. Sie gehörten einem Mädchen, das vor zwei Jahren nach Madrid gegangen und mit einem alten, reichen Manne zurückgekommen war. Was die Kleine für ein Glück hatte ...
    Gallardo ging mit verhülltem Antlitz, in der Hand den Stock, im Zuge seiner Mitbrüder dem Gnadenbilde voran. Andere Mitglieder der Vereinigung trugen große, mit goldenen Quasten geschmückte Trompeten. Sie hoben das Mundstück ihrer Instrumente zum Ausschnitt, der die Lippen freiließ, und herzzerreißende Töne durchschnitten das Schweigen. Aber dieses durchdringende Geblase erweckte kein Echo in den Herzen der Zuhörer, noch weniger ließ es die Versammelten an den Tod denken. Aus den einsamen und dunklen Gassen brachte der Wind den Duft der frühlingsprangenden Gärten, Blüten und Blumen, welche in Töpfen und Vasen die Balkone schmückten. Der Himmel erglänzte im hellen Lichte des Mondes, der sein rundes Antlitz zwischen den weißen Schäfchenwolken zeigte, Der düstere Zug schien sozusagen gegen die Strömung der Natur anzukämpfen und mit jedem Schritt seine ernste, an ein Begräbnis gemahnende Feierlichkeit einzubüßen. Umsonst jammerten die Trompeten ihr Gestöhne in die Nacht und leierten die Sänger ihre Noten herunter, vergeblich zeigten die rohen Soldaten ihr finsteres Henkergesicht. Die Frühlingsnacht lachte und verbreiteteüberallhin ihren süßen Duft. Niemand konnte an den Tod denken.
    Die Statue der Jungfrau war von ihren begeistertsten Verehrern umgeben. Man sah Landleute und Gärtner aus der Umgebung der Stadt mit ihren Frauen, welche Kinder an der Hand führten. Daneben standen Burschen des Bezirkes in ihrer Sonntagskleidung und mit herausfordernden Mienen, als ob sich jemand fände, der dem Bilde seine Ehrerbietung verweigern wollte und die Jungfrau des Schutzes ihrer Fäuste bedürfte. Sie gingen alle durcheinander, drückten sich in den Straßen zwischen dem Bilde und der Mauer hindurch, hatten aber immer ihre Augen auf die Jungfrau gerichtet, riefen sie an und sagten ihr Sprüchlein über ihre Schönheit und Wunderkraft her, all das mit der Ungezwungenheit ihres vom Wein erhitzten Gemütes und der Einfalt ihrer kindlichen Denkungsart.
    Der Zug hielt mit dem Bilde alle 50 Schritte an. Man hatte keine Eile, die Nacht war lang. In vielen Häusern verlangte man, daß das Bild stehen bleibe, um es mit Muße zu betrachten.
    Als der Gesang verstummte, brachen die Zuhörer in begeisterte Rufe aus. Der Wein kreiste am Fuße des Gnadenbildes und die wildesten der Zuhörer schwenkten ihm den Hut entgegen, als wäre die Statue ein hübsches Mädchen. Vor dem Wagen ging ein Bursche in brauner Tunika und mit einer Dornenkrone auf dem Haupte. Er war barfuß und keuchte unter der Last eines schweren Kreuzes. Wenn er nach längerer Rast das Bild der Jungfrau wieder einholen wollte, halfen ihm mitleidige Seelen, seine drückende Bürde zu tragen.
    Die Frauen seufzten, als sie ihn sahen und bemitleideten ihn. Armer Kerl! Mit welch heiligem Eifer war er bei seinem Bußwerke. Alle im Bezirke gedachten noch seines gotteslästerlichen Frevels. Der verdammte Wein war schuld daran gewesen. Als vor drei Jahren die Prozession der Macarena in die Kirche zurückkehrte, da hatte jener Sünder das Gnadenbild vor einer Schenke des Marktplatzes halten lassen. Er sang der Jungfrau zu Ehren ein Lied und sagte ihr dann in seiner heiligen Begeisterung zärtlichste Liebesworte. Er verehrte sie mehr wie seine Braut. Um seinem Glauben mehr Ausdruck zu verleihen, wollte er ihr das, was er in den Händen hielt, vor die Füße werfen. Er glaubte, es sei sein Hut, doch ein Glas zerbrach auf dem Antlitz der Gottesmutter. Man brachte ihn wimmernd in den Kerker ... Er zitterte vor Furcht beim Gedanken an die langjährige Kerkerstrafe, die ihn wegen Religionsfrevels erwartete. Er weinte vor Reue über sein Vergehen, und als sich schließlich auch die Geistlichkeit für ihn verwendete, kam er gegen das Versprechen einer schweren Buße ohne Strafe davon.
    Schweißbedeckt und keuchend schleppte er sein Kreuz, welches er, sobald die Last auf

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