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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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der einen Schulter zu schwer wurde, auf die andere legte. Die Weiber weinten mit der dem Süden eigenen Erregbarkeit, die sich gerne in dramatischen Manifestationen äußert, über diesen Beweis demütiger Bußfertigkeit. Seine Kameraden bemitleideten ihn, ohne es zu wagen, seiner zu spotten, und boten ihm Wein an. Er sei ja schon nahe daran, vor Ermüdung umzufallen, er brauche eine Erfrischung, sie wollten ihn ja nicht verspotten, sondern helfen. Der Büßer aber wendete seine Augen ab vonden Gaben, die man ihm anbot, und richtete sie auf die Jungfrau. Er würde am nächsten Tage trinken können, wenn die Macarena wieder in der Kirche thronte.
    Das Gnadenbild stand noch in einer Straße des Feriabezirkes und die Spitze der Prozession hatte bereits das Zentrum von Sevilla erreicht. Die Kapuzenträger und die Schar der Soldaten waren mit kriegerischer Schlauheit, wie ein Heer, das zum Angriff geht, vorangeeilt, sie wollten die Campana und mit dieser die Sierpesstraße gewinnen, ehe sich noch eine andere Brüderschaft hier ausbreitete. Befand sich diese Straße einmal in ihrem Besitz, konnten sie ruhig warten, bis der Zug mit dem Gnadenbilde kam. Ihre Brüderschaft besetzte alle Jahre diese Straße und hielt sie dann, ohne sich um die Proteste der anderen Vereinigungen zu kümmern, abgesperrt. Denn deren Bilder konnten sich mit der Macarena nicht vergleichen und waren deshalb infolge ihrer Bedeutungslosigkeit dazu verurteilt, hinter ihr zu kommen.
    Die Trommeln der Truppe des Hauptmannes Chivo rasselten beim Eingang in die Campanastraße, als gleichzeitig die schwarzen Kapuzen einer anderen Brüderschaft, welche sich ebenfalls ihre Rechte sichern wollte, auftauchten. Die Menge zwischen den beiden Prozessionen wartete neugierig, denn es mußte gleich zum Kampfe kommen. Die »Macarenos«, welche die Prozession begleiteten, eröffneten die Feindseligkeiten mit Kerzen und Stöcken. Inzwischen aber ließ der Hauptmann Chivo, schlau wie ein Eroberer, eine strategische Schwenkung ausführen und besetzte die Campanastraße, während seine Trommler unter dem Beifall der Hilfstruppendes Stadtviertels diesen Erfolg mit fröhlichem Gerassel begleiteten.
    Die Sierpesstraße war in einen Salon verwandelt. Auf den Balkonen drängten sich Zuschauer, elektrische Lampen hingen von den Kabeln, welche zwischen den beiden Häuserreihen gespannt waren, herab, alle Kaffeehäuser und Geschäfte erstrahlten in hellstem Lichte, aus den Fenstern blickten Zuschauer und an den Mauern standen lange Sesselreihen, in denen sich die Leute zusammendrängten und über die Sitzenden hinwegstolperten, wenn ein ferner Trompetenklang und Trommelwirbel das Herannahen der Gnadenbilder verkündete.
    Diese Nacht schlief niemand und alle blieben auf, um bei Tagesanbruch den Zug der zahllosen Prozessionen zu sehen.
    Es war schon drei Uhr früh und nichts deutete auf eine so vorgerückte Stunde hin. Die Leute warteten eifrig plaudernd in den Kaffeehäusern und Schenken auf das Eintreffen der Prozession, Verkäufer boten Erfrischungen und Leckereien an, ganze Familien saßen seit 2 Uhr nachmittags da und betrachteten den Zug der vielen Brüderschaften mit ihren Prunkmänteln und Statuen, deren reicher Schmuck Ausrufe der Bewunderung auslöste. Es war eine ganz eigene Welt, welche mit ihren seltsamen Bildern, den blutigen oder weinenden Gesichtern, kraß mit dem Luxus der Kleider und dem prachtvollen Schmuck, den sie trugen, kontrastierte.
    Die Fremden, welche durch diese seltsame Tour, bei der eigentlich nur die Bildwerke das Element der Trauer versinnbildlichten, angelockt worden waren, hörten von den Sevillanerndie den Zug betreffenden Erklärungen und Namen. Sie sahen die Bilder der verschiedenen Prozessionen und Kirchen langsam vorüberziehen. Auf dem San Franciscoplatz blieben alle Träger stehen und grüßten die vornehmen Fremden und Würdenträger, welche das Fest durch ihre Gegenwart beehrten, mit tiefen Verbeugungen.
    Gleich hinter den Bildergruppen kamen Burschen mit Wasserkrügen. Hielt der Zug an, so hob sich ein Zipfel des samtenen Überwurfes und es zeigten sich 20 bis 30 schweißbedeckte, halbnackte Männer, deren Gesichter vor Anstrengung hochrot gefärbt waren und äußerste Erschöpfung erkennen ließen. Es waren die Träger, welche gierig nach Wasser verlangten. Wenn sich zufällig eine Schenke in der Nähe befand, so revoltierten sie gegen den Führer und wollten Wein. Sie waren gezwungen, viele Stunden in dem engen Traggehäuse zu bleiben

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