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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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in dem Kaffeehaus der Sierpesstraße versammelten.
    Am Gründonnerstage hörte er mit seiner Frau das nächtliche Miserere in der Kathedrale an. In der großen Kirche brannten nur ein paar Kerzen, die gerade so viel Helligkeit verbreiteten, daß die Menge der Gläubigen nicht im Dunkeln tappen mußte.
    In den Seitengängen standen die Angehörigen der besseren Gesellschaftskreise, welche sich der Berührung mit der schmutzigen Volksmenge im Schiff entziehen wollten.
    Auf dem dunklen Chor flackerten, roten Sternen gleich, die paar Kerzen der Musiker und Sänger. Das Miserere von Eslava sandte seine süßen Weisen in diese furchterregende Umgebung von Nacht und Schweigen. Als die Tenorstimme die letzte Strophe beendigte und ihre Klage sich mit dem Rufe: »Jerusalem, Jerusalem!« an der Wölbung verlor, zerstreuten sich die Andächtigen, um in die Straßen zu kommen, welche mit ihren elektrischen Lampen, ihren Sesselreihenund den beleuchteten Balkonen den Eindruck eines Theaters machten.
    Gallardo kehrte nach Hause zurück, um sich die Kapuze anzulegen. Angustias hatte sich voll Rührung, die sie in ihre eigene Jugend zurückversetzte, um sein Kleid gekümmert. Ah, ihr armer Mann, auch er war in dieser Nacht mit seinen kriegerischen Geräten fortgeeilt, um erst am nächsten Tage mit eingebeultem Helm zurückzukommen, da er mit seinen Waffengefährten alle Weinstuben Sevillas durchgekostet hatte.
    Der Torero widmete seiner Vermummung die gleiche Sorgfalt, als ginge er in den Kampf. Er legte seidene Socken und Lackschuhe an, nahm dann das lange Überkleid aus weißem Satin und darüber die hohe spitze Kapuze aus grünem Samt, welche bis über die Schultern herabfiel. Auf der einen Seite prangte das Wappen der Brüderschaft in leuchtenden Farben und sorgfältiger Ausführung. Der Torero zog Handschuhe an und griff nach einem langen Stock, dem Zeichen der Brüder in ihrer Korporation: er war aus Stahl, mit grünem Samt beschlagen und endigte oben in einen silbernen Knopf.
    Es war schon 12 Uhr vorbei, als diese elegante Kapuze durch die belebten Straßen nach der San Gil-Kirche ging.
    Der Schein der Kerzen und das aus den offenen Türen der Schenken fallende Licht warf einen zitternden Glanz auf die Wände, welche wie im Reflex eines Brandes erglühten.
    Ehe Gallardo zur Kirche kam, begegnete er in der engen Straße, durch welche die Prozession kommen mußte, die Gesellschaft der »Juden« und die Truppe der »römischen Soldaten«, welche, um ihre militärische Disziplin zu zeigen,den Marschschritt auf der Stelle einübten, wo sie standen, während der Trommler unermüdlich seinen Wirbel schlug.
    Es waren junge und alte Männer, welche sich den Helm über ihr Haupt gestülpt hatten und einen braunen Kittel trugen. Die Beine steckten in fleischfarbigen Trikots, um die Füße waren Sandalen gewunden. Im Gürtel hing das römische Schwert, die Lanze baumelte, durch eine Schnur festgehalten, über die Schulter. Vor der Schar flatterte das römische Banner mit seiner lateinischen Aufschrift und bewegte sich mit der übrigen Schar im Takte des Trommelwirbels. An der Spitze der Soldaten stand, den Degen in der Hand, der Hauptmann, welcher sich Chivo nannte.
    Er war ein Zigeunersänger, der diesen Morgen aus Paris gekommen war, um sich an die Spitze seiner Soldaten zu stellen. Ein Versäumen dieser Pflicht würde Verzicht auf den Hauptmannstitel bedeutet haben, ein Rang, den Chivo auf allen Plakaten der music-halls in Paris, wo er mit seinen Töchtern sang und tanzte, führte. Die Mädchen waren graziös und beweglich wie Eidechsen und setzten die Männer durch ihre feurigen Augen, ihre zarten Körper und ihre unheimliche Beweglichkeit in helle Begeisterung. Die ältere hatte ein großes Glück gemacht, indem sie mit einem russischen Fürsten durchging, worauf die Zeitungen von Paris tagelang von der Verzweiflung des »braven Offiziers der spanischen Armee« sprachen, welcher seine Ehre mit Blut rächen wollte Auf einem Boulevardtheater hatte man sogar eine Operette über den Raub der Zigeunerin gespielt und Torerotänze mit anderem Lokalkolorit auf die Bühne gebracht. Der Chivo versöhnte sich schließlich mit diesem Schwiegersohn zurLinken. Sein Hauptmannstitel lockte vielen Fremden ein bedeutungsvolles Lächeln auf die Lippen: »Ja, ja, Spanien ist weit heruntergekommen, da es seine Soldaten nicht bezahlt und sie zwingt, ihre Töchter tanzen zu lassen«. Wenn die Karwoche kam, trennte sich der Hauptmann mit der Geste eines

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